Ort: Schönau an der Brend
Bundesland: Bayern
Koordinaten: 50°22’38.8″N 10°06’28.9″E
Im Zwielicht traf ich Robert Redford. Damals, am 23. Tag meiner zweiten 50-Tage-Wanderung durch Deutschland, sah ich ihn schon aus einiger Distanz. Oberkörperfrei, mit definierten Muskeln, Pferdeschwanz und sonnengegerbter Haut stand er auf einer Weide mit seinen Pferden. Ein Cowboy in Schönau an der Brend, Unterfranken, nördlichstes Bayern.
Der Mann, der mich an Robert Redford, den Hollywood-Schauspieler und Pferdeflüsterer erinnerte, versorgte am fortgeschrittenen Abend seine Tiere. Er streichelte ihre Bäuche, fuhr mit der Hand über den Rücken seiner Pferde. Seine Islandponys hält er nicht für Nutzzwecke, sondern weil er die Tiere mag. An dem Abend, bereits weit nach Sieben, wollte er sie, wie jeden Tag, zu ihrem Unterstand führen. Die Nacht versprach Regen, vielleicht sogar Unwetter.
Nicht an der Kleidung sparen
Mit dem Motiv des Pferdemenschen verbinde ich einen besonderen Tag. Meine beiden Söhne hatten mich unterwegs besucht. Wir wanderten einen Tag zusammen, für mich als Vater eine Freude, diese Momente mit meinen Jungs zu teilen. Und abenteuerlich sollte es auch werden. Das Wetter war uns an diesem Tag nicht wohlgesonnen.
Es regnete in Strömen, die Sonne brannte, und wieder regnete es. Der ganze Tag ein Wechselbad. Ich blieb trocken, meine Ausrüstung, Jacke, Hose und Rucksack hielten stand. An der Kleidung sollte ein vernünftiger Wanderer nicht sparen, wenn er fast zwei Monate nonstop durch die Natur laufen will. Meine Jungs waren leider nicht so gut ausgerüstet. Sie erwischte es kalt.
Umso glücklicher waren wir am Abend, als der Kirchturm von Schönau den Horizont durchbrach. Unser Ziel. Endlich waren wir da. Der Gasthof nur einen Kilometer weit weg. Die Vorfreude auf ein warmes Gasthaus mit Schnitzel und einem kühlen Bier ließ uns noch mal beschleunigen. Doch dann erblickte ich kurz vor dem Ortseingang den Robert Redford Unterfrankens.
Menschen begegnen – original und authentisch
Die Atmosphäre war einzigartig. Der Himmel glitzerte durch die Sonne perlmuttfarben. Der Dunst hob sich aus der Wiese. Der Regen, der kurz zuvor auch auf uns herniedergeprasselt war, verdampfte auf der warmen Erde zu kleinen Schwaden.
Während meine Söhne weitergingen, weil sie sich aus der durchnässten Kleidung pellen wollten, kam ich nicht umhin, stehen zu bleiben, das Gespräch zu suchen und meine Fotoausrüstung auszupacken. Für Momente wie diese war ich unterwegs. Ich wollte nicht nur die Bilder der Natur einfangen, sondern auch authentischen Menschen begegnen, echten Originalen. In Schönau kam alles zusammen.
Klaus war anfangs wortkarg, aber freundlich, wir unterhielten uns kurz. Jahrgang 49, damals 70 Jahre alt, kaum zu glauben beim Anblick seiner Muskeln und sehnigen Arme. Dann sprach Klaus viel und gut von seinen Ponys. Mir hat das imponiert, wie fürsorglich er seine Tiere umschwirrte, dass er sie ohne Eigennutz mit viel Zuneigung versorgte. So geht es auch.
Die Gefahr in der Dämmerung
Normalerweise hätte ich Momente wie diesen verpasst, doch durch die wetterbedingt verzögerte Tagesetappe waren wir verspätet unterwegs. Nun war es beinahe schon acht. Um die Zeit war ich auf den meisten Etappen bereits in meine Unterkunft eingekehrt. Vor allem war ich nicht in der Nähe von Lichtungen oder im Unterholz unterwegs. Für Wanderer lauert in der Dämmerung die Gefahr, mit Wild verwechselt zu werden, vielerorts wird scharf geschossen. Um diese Jahreszeit sind Jäger auf der Pirsch. Sie sitzen auf Kanzeln oder lauern im Gras. Im Spätsommer, den ich durchschritt, sind die meisten Wildtiere zur Jagd freigegeben.
Ich kenne einige Jäger, und die allermeisten haben wenig mit dem Klischee des schießwütigen Menschen zu tun, das mancherorts kursiert. Ja, sie jagen, aber auch für den Umweltschutz, damit Ökosysteme erhalten bleiben. Trotzdem kann es zu dramatischen Verwechslungen kommen. Besonders, wenn Wanderer spät abends auf dem Land keine Warnwesten dabei haben. So wie ich.
Der Wandertipp:
Seid bunt, laut und schrill, wenn ihr abends durch Jagdgebiete zieht. Auch Jäger sind fehlbar. Es passierten schon tragische Unglücke mit fatalen Folgen, weil Wanderer ohne klare Kenntlichmachung durch Wiesen und Wälder stapften. Solche Unfälle lassen sich vermeiden.
Lieder für die Sicherheit
Also musste ich mich akustisch zu erkennen geben. So sang ich abends lauthals Lieder, wenn ich in der Dämmerung Waldwege oder ausgesetzte Wanderrouten passierte. Meine Wanderstöcke klatschte ich immer wieder aneinander. „Sei so laut wie möglich“, war der Tipp eines Jägers an mich, „dann wirst du nicht übersehen.“ Das waren die einzigen Situationen, in denen ich wirklich unentspannt war.
Das Wandern am Abend birgt seine Risiken. Oft ist es auch einsamer, in ländlichen Gebieten verlagert sich das Leben der Menschen an den Abendbrottisch, ins Wohnzimmer oder auf den Hof. Auf den Straßen herrscht Stille. Umso interessanter sind die wenigen Menschen, die dann noch draußen unterwegs sind. Pferdemenschen wie Klaus.
Ich bin froh, dass ich auf der Reise immer wieder spontan genug war, auch mal von Plänen abwich, die Dämmerung durchzog. Das macht besondere Momente möglich. Nur vorsichtig sollte man dabei sein. Egal, ob wir singen können oder nicht.
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