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Zu Fuß durch Deutschland: Dieser Weg wird ein weiter sein

Fotograf Andreas Teichmann ist zweimal durch ganz Deutschland gewandert. 2017 von West nach Ost. 2019 von Süden nach Norden. Insgesamt mehr als 2.000 Kilometer Fußweg. Sein Antrieb: Endlich das Land kennenlernen, in dem er geboren wurde – und die Menschen.

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Wer Andreas Teichmann zum ersten Mal begegnet, ist meistens etwas verwirrt. Dieser Mann ist zweimal durch Deutschland gewandert? Statt eines drahtigen Freizeit-Athleten steht dort ein massiver und hochgewachsener Kerl, der für gewöhnlich ein bisschen zu viel Körpergewicht auf die Waage bringt – wenn er nicht gerade mehr als 1.000 Kilometer hinter sich gebracht hat.

Zur Person:
Andreas Teichmann, Jahrgang 1970, arbeitet seit 25 Jahren als freiberuflicher Fotograf und hat zahlreiche Preise gewonnen. Er lebt mit seiner Familie in Essen. Fotos und Texte findest du auf seinem Blog www.50days.de. Auch bei Instagram kannst du ihm folgen: andreas.teichmann

„Im Alltag bin ich kein fitter Mensch. Ich bin mit 126 Kilo Körpergewicht losgelaufen, bei 1,90 Meter Körpergröße. Bei meiner letzten Wanderung habe ich 15 Kilo abgenommen. Wenn die Leute dann später in meine Ausstellung kommen, gucken sie mich an und sind ganz verwundert: Du bist diese Strecke gelaufen? Ich sage immer: Jeder, der keine Gehbehinderung hat, kann wandern“, so Andreas Teichmann.

Andreas Teichmann steht bei seiner Wanderung durch Deutschland auf einem Feld.
Zweimal wanderte Andreas Teichmann durch Deutschland. © Andreas Teichmann

Einmal quer durch Deutschland in 50 Tagen

„50 days+“ heißt sein Deutschland-Projekt, das er vor zwei Jahren gestartet hat. Beim ersten Mal wanderte er im Jahr 2017 die West-Ost-Achse buchstäblich von A bis Z, nämlich von Aachen nach Zittau in Sachsen. Seine Eindrücke auf den knapp 1.000 Kilometern Fußmarsch sammelte er in seinem Blog und bei Instagram.

Das Buch „Deutschland umsonst“ des Aussteigers und früheren „ZEIT“-Redakteurs Michael Holzach hatte ihn bereits vor vielen Jahren in den Bann gezogen, doch erst ein Interview mit dem Spaziergangsforscher Bertram Weisshaar gab ihm den nötigen Anstoß. Seine These: Du musst einfach nur den ersten Schritt machen.

Andreas Teichmann besorgte sich ein paar Wanderschuhe, packte sein Equipment ein und lief los: „Ich arbeite seit 25 Jahren als freier Fotojournalist – meine Familie hat sich daran gewöhnt, dass ich zwischendurch auch mal weg bin. Aber okay, 50 Tage sind natürlich ein Pfund. Ansonsten war ich immer zwei bis drei Wochen unterwegs.“

Wandern mit Meniskusriss: Erste-Hilfe per Telefon

Bei der ersten Wanderung erlitt er bereits an Tag 14 einen Meniskusriss, als er durch das verregnete Gebirge im Sauerland kraxelte und auf einem nassen Felsen ausrutschte. Ein guter Freund stellte am Telefon eine Ferndiagnose: „Du wartest eh’ sechs Wochen auf eine OP. Besorg dir eine Manschette und Ibuprofen, dann wird es schon irgendwie gehen.“

Gesagt, getan. Selbst ein Orthopäde in Kassel ermutigte ihn ein paar Tage später zum Weiterlaufen: „Das schaffen Sie schon, das ist ja kein Kreuzbandriss.“
„Ich konnte irgendwie weiterlaufen und kam auch ans Ziel. Drei Tage nach meiner Ankunft habe ich mich Zuhause in Essen dann operieren lassen“, erinnert sich der 49-Jährige. Kurz darauf schlummerten bereits die ersten Ideen in seinem Kopf für eine Fortsetzung seines Fußmarschs.

Die Kamera von Andreas Teichmann fängt beim Start seiner Wanderung ein Foto des Bayrischen Oberstorf ein.
Im bayrischen Oberstdorf startet Andreas Teichmann seine Wanderung. © Andreas Teichmann

Von Oberstdorf nach Sylt mit dem Wanderrucksack

Im Juli 2019 war es dann soweit: Andreas Teichmann steht auf einem Hügel im bayerischen Oberstdorf und blickt hinab ins Tal. Auf dem Rücken trägt er 18,5 Kilogramm Equipment, darunter ein Set an Klamotten (zwei Unterhosen, eine Hose, ein Pullover, eine Regenjacke) und ein mehrteiliger Kamerabausatz (bestehend aus einem Body und einem Rückteil, das an klobige Hasselblad-Kameras erinnert). Außerdem hat er seine Garmin Fenix 5 und das iPhone7+ mit Komoot-App dabei. Es geht ihm nicht darum, sportliche Bestmarken zu knacken oder neue Rekorde aufzustellen. Etwa 22,5 Kilometer will Andreas Teichmann pro Tag wandern.

Dies soll kein Gewaltmarsch werden: „Mir war klar: Wenn du langsam unterwegs bist, dann hast du eine viel genauere Wahrnehmung. Du siehst alles Mögliche. Bei jedem Schritt. Und das wollte ich. Viele der Bekanntschaften hätte ich gar nicht machen können, wäre ich nicht zu Fuß unterwegs gewesen. Bei mir ist das Wandern nur Mittel zum Zweck, nämlich der Fortbewegung. Meine Priorität ist nicht, zu wandern und nebenbei zu fotografieren, sondern ich bin Fotograf und möchte Menschen kennenlernen, ganz ergebnisoffen. Und ich möchte das Land kennenlernen, in dem ich lebe und geboren wurde.“

Die Dauerwanderung wirkt wie ein Langzeit-Kick

Andreas Teichmann begegnet unterwegs einer verwitweten Landwirtin, die in den Alpen einen Gasthof betreut. In Memmingen fotografiert er eine Gruppe junger Damen beim Junggesellinnenabschied, die Passanten auffordern, beim Spiel „Pimmelwerfen“ mitzumachen. Auf dem Hüppelsberg in Hessen fotografiert er eine Ziegenherde, die über vertrocknete Sommerwiesen trippelt. Und im niedersächsischen Bergen-Belsen gedenkt er den Opfern, die hier im ehemaligen Konzentrationslager umkamen. Seine zeitlupenhafte Erkundung Deutschlands wirkt eigentlich unspektakulär, ist aber trotzdem voller lebendiger Geschichten, ähnlich vielleicht wie ein Roman von Robert Seethaler.

Eine kleine Schlange neben dem Schuh von Andreas Teichmann.
Es sind die kleinen Momente wie diese Begegnung, die Andreas Teichmann bewegen. © Andreas Teichmann

„Langeweile kommt bei mir nicht auf“, sagt er. „Ich freue mich am meisten darüber, in der Natur zu sein und die Begegnungen mit den Menschen zu haben. Wann warst du das letzte Mal 50 Tage am Stück draußen? Vielleicht in deiner Kindheit? Wir haben völlig vergessen, wie sich das anfühlt – und das ist wie ein Langzeit-Kick. Man entwickelt viel mehr Empathie für die Menschen, die auf dem Land leben. Es gibt viele Menschen dort, die frustriert sind, weil sie beispielsweise keine Breitbandverbindung oder keinen Glasfaseranschluss haben. Viele fühlen sich dadurch einfach abgehängt.“

Die letzte Etappe nach Sylt

Ende September 2019 biegt Andreas Teichmann auf die Zielgerade ein, seine letzte Etappe führt ihn nach Sylt. #BeatYesterday.org erreicht ihn ein paar Tage vorher am Telefon, als er kurz vor Hamburg ist. Die Blasen an seinen Füßen hat er mit Zinksalbe verarztet, seitdem kann er wieder komplett beschwerdefrei laufen. „Ab Tag 40 wird man ein bisschen euphorisch, weil es langsam auf die Zielgerade zugeht“, erzählt er. „Aber ich habe das Projekt ganz bewusst 50 + genannt, weil ich mir dachte: Wenn du länger als 50 Tage brauchst, dann ist das auch okay. Mir geht es dabei nicht um den sportlichen Ehrgeiz, die Strecke in einer bestimmten Zeit zu schaffen.“

Schild des nördlichsten Punkt Deutschlands.
Im Dunkeln erreicht Andreas Teichmann den Lister Ellenbogen auf Sylt. Seine Reise ist beendet. © Andreas Teichmann

Am 51. Tag erreicht Andreas Teichmann abends um 20.35 Uhr die Nordsee-Insel und steht am Lister Ellenbogen, dem nördlichsten Punkt Deutschlands. Im Moment seines Triumphs ist er ganz alleine, weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Trotzdem ist er glücklich. Auf seinem Blog schreibt er ein paar Stunden später: „Wir reden und feiern die halbe Nacht. Susanne lässt die Kneipe heute länger auf und als ich mich um 02:45 Uhr von Torsten verabschiede, hatte er schon entschieden, einen weiteren Tag auf der Insel zu verbringen.“

Der Wanderer hat unterwegs viele Bekanntschaften geschlossen, mit unzähligen Menschen gesprochen und hunderte verschiedene Orte und Wälder gesehen. Eine Ausstellung und ein Buchprojekt sind bereits in der Vorbereitung – eine weitere Extremwanderung wird bestimmt folgen.

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