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Teichmann wandert #2: Kleine Birnen, große Freuden

Auf seiner Wanderung von Aachen nach Zittau lernte Fotograf Andreas Teichmann, wie sich wirklicher Durst und echter Hunger anfühlen. Teil #2 seiner Kolumne: Demut.

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Ort: Korbach
Bundesland: Hessen
Koordinaten: 51°16’02.1″N 8°51’05.3″E

Die saftigsten Früchte hängen ganz oben im Baum. Weil sie mehr Sonnenlicht abbekommen? Mehr Regenwasser? Weil es aufwendiger ist, an sie heranzukommen und die Freude über die erfolgreiche Ernte größer ist? Ich weiß es nicht. Jedenfalls schmeckte die Birne, die mir der Mann angelte, vorzüglich gut. Er hatte sie von ganz weit oben gepflückt.

Er, Norbert, damals 72, ein pensionierter Postbote, fährt mit seinem alten Passat im Sommer regelmäßig zu den frei stehenden Obstbäumen im Umland seines hessischen Heimatortes Korbach. Vor Jahrzehnten hatten Bauern die Bäume zu einer Allee gepflanzt, um die Felder voneinander abzugrenzen und den Pferden vor Kutschen und Fuhrwerken Schatten zu spenden.

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Früchte für alle

Zu jener Zeit versteigerten die Gemeinden das Pflückrecht meistbietend. Heute erntet kaum noch jemand das Obst. Es fällt herunter, vergammelt, Wespen laben sich satt. Für manche Gemeinden, die oft Eigentümer des Landes sind, auf dem die Bäume stehen, entstehen durch die Reinigung der Straßen sogar Zusatzkosten. Und überhaupt ist es wenig nachhaltig, wenn Birnen, Äpfel oder Kirschen am Boden verfaulen.

Einen öffentlichen Baum, dessen Früchte jeder ernten darf, erkennt man oft an der Pracht der Krone. Plantagenbäume werden beschnitten und klein gehalten, sie sollen nicht zu groß werden, damit das Ernten leicht fällt. Ragen die reich behangenen Äste meterweit in den Himmel, verfolgt mit diesem Baum vermutlich niemand mehr ein gewerbliches Interesse.

Der Postbote imponierte mir damals an diesem glutheißen Tag der 18. Etappe meiner West-Ost-Querung von Aachen nach Zittau. Er hätte in den Supermarkt gehen und eine Birne für 40 Cent kaufen können. Mit dem Auto zur Allee zu fahren, mit einer aus vielen Kunststoffrohren selbst gebauten, zusammenschiebbaren Pflückerstange nach den Früchten zu stochern bei über 30 Grad, ist viel anstrengender als der Gang in die Kaufhalle. Warum er so einen Aufwand betreibt, fragte ich. „Weil es schade um das gute Obst wäre”, antwortete Norbert.

Wie Durst und Hunger plagen

Die Birne, die ich damals in Korbach, Nordhessen geschenkt bekam, war eine der köstlichsten, die ich je gegessen habe. Auch weil mich das Wandern dieser Tage Demut gelehrt hatte. Durch das Reisen zu Fuß achtete ich sehr auf mein Gepäck. Ich nahm nur das mit, was ich unbedingt brauchte. Da meine Fotoausrüstung schon schwer genug war, das Stativ, die Kamera und der Laptop, konnte ich in meinem sehr einfachen Rucksack nur noch eine kleine Wasserflasche, die ich ein paar Tage zuvor in einem sauerländischen Dönerladen erstanden hatte, mitschleppen. Ich lief also mit nur einem dreiviertel Liter Wasser durch die Gegend – meist ohne Essen. Zu Beginn dieser ersten Wanderung dachte ich lange, dass es in einem Land wie Deutschland kein Problem sein sollte, an kühle Getränke und Snacks zu kommen. Wie ich irrte!

Manchmal zog ich tagein, tagaus durch Dörfer ohne Supermarkt oder Kiosk. Ich spürte, wie aufreibend Durst sein kann. Durch die körperliche Anstrengung brauchte ich mehr Wasser als gewöhnlich. Was ich trank, schwitzte ich sofort wieder aus.

Der Wandertipp:

Jede gute Wasserquelle nutzen. Auch wenn es viele in Deutschland nicht erwarten: Manchmal führen gerade die direktesten Wege mitten durch Landschaften ohne Geschäfte und Gasthöfe. Frisches, sauberes Wasser ist nicht garantiert. Daher: Trinken, wo immer es geht, und die Flaschen oder Trinkblasen auffüllen. Solltest du dringend Wasser suchen, orientiere dich an den Kirchtürmen. Besonders auf dem Land befinden sich Friedhöfe in der Nähe der Gotteshäuser. Dort gibt es normalerweise immer einen Wasserhahn mit Brunnenanschluss.

Demut und Glück

Ich klingelte bei fremden Menschen und bat um Wasser aus dem Gartenschlauch oder bediente mich an Brunnen auf Friedhöfen. Wo es etwas zu trinken gab, trank ich. Und ich füllte überall die Flasche auf, selbst wenn sie noch halb voll war. Ich lernte auf dieser Reise, wie wenig selbstverständlich die kleinsten Dinge unseres Lebens sein können. Und ich bin durch die vielen Begegnungen klüger geworden, weil ich mit Einheimischen über Themen sprach, die ich bis dahin wenig beachtet hatte.

Hunderte Wanderkilometer lehrten mich, dankbarer für die kleinen Dinge im Leben zu sein. Was es für ein Privileg ist, im Alltag nie oder nur sehr selten wirklichen Durst zu haben. Wie köstlich süße Birnen frisch vom Baum schmecken. Demut und Glück habe ich beim Wandern gefunden – nicht nur in Korbach.

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