Body & Soul

Long Covid: Gegen die Corona-Folgen antrainieren

Viele Betroffene leiden nach überstandener Corona-Infektion unter Langzeitfolgen. In der Uniklinik Wien forschen Mediziner*innen nach den Ursachen und neuen Behandlungsansätzen. Ein Interview.

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Mut und Kraft dieser Menschen sind bewundernswert. Als die Corona-Welle das erste Mal über Mitteleuropa schwappte, das Virus eine große Unbekannte war, standen Ärzt*innen, Pflegende und viele andere Beschäftigte der Krankenhäuser in der ersten Reihe. Leben retten. Schmerzen lindern. Trost spenden.

Trotz Schutzanzügen und Masken wurden viele selber krank. Manche schwer. Andere hatten Glück. Und wieder andere bemerkten erst viel später die Folgen der Infektion. Die Krankheit ging nur vermeintlich, stattdessen blieben Symptome genauso wie seelische Narben. Der Wiener Rehabilitationsmediziner Dr. Stefano Palma will gemeinsam mit seinen Kolleg*innen diese Probleme nicht nur besser verstehen, sondern sie auch effizienter lösen.

Dr. Stefano Palma im Krankenhaus in Wien
© Stefano Palma

Im #BeatYesterday-Interview erklärt der Experte, woran das Team arbeitet und warum es in diesem Projekt auf Smartwatches von Garmin setzt.

#BeatYesterday.org: Herr Dr. Palma, erzählen Sie, woran Sie zurzeit arbeiten.

Dr. Stefano Palma: Wir führen am Spital momentan ein BGF-Projekt durch. Die Abkürzung steht für Betriebliche Gesundheitsförderung. Konkret geht es um Kolleg*innen, die unter den langwierigen Folgen einer Corona-Infektion leiden. Gemeinsam arbeiten wir daran, dass sie das bald nicht mehr tun, dass wir Long Covid überwinden.

#BeatYesterday.org: Erhalten vor allem Pflegekräfte und Ärzt*innen dieses Angebot, die bei der Behandlung von Corona-Patient*innen in der ersten Reihe aktiv sind?

Dr. Stefano Palma: Pflegekräfte und Ärzt*innen sind auch dabei. Wir beschränken unser Angebot aber nicht auf einzelne Berufsgruppen. Alle Mitarbeitenden, die für das Spital tätig sind, haben Zugang zu den Rehabilitationsbehandlungen. Auch Reinigungskräfte, Leute aus den Fahrdiensten oder dem Management. Es gilt: First come, first served. Wer zuerst nachfragt, bekommt den Platz.

#BeatYesterday.org: Wie darf man sich die Angebote vorstellen?

Dr. Stefano Palma: Die Mitarbeitenden, wir sprechen absichtlich nicht von Patient*innen, gehen normal ihrer Tätigkeit nach. In ihren Arbeitsalltag sind jedoch feste Stunden für Trainings- und Beratungsstunden integriert. Unter anderem absolvieren die Kolleg*innen bei uns zwei Krafteinheiten in der Woche, die von Ärzt*innen und Sportwissenschaftler*innen begleitet werden. Auch erhalten sie eine Ernährungsberatung und Pläne für das Ausdauertraining daheim.

#BeatYesterday.org: Wie beginnt so eine Behandlung? Vor allem: Was ist der wichtige erste Schritt?

Dr. Stefano Palma: Wir führen mit allen Teilnehmenden, bisher sind es 48, ein diagnostisches Verfahren durch. Das ist ein sogenanntes Basic-Assessment. Dazu gehört ein Leistungstest der Ausdauerfähigkeit. Wir untersuchen mithilfe der Spiroergometrie die Atemgase, die die Untersuchten während einer sportlichen Belastung ausatmen. Durch die Untersuchung erfahren wir beispielsweise, wie gut das Herz-Kreislauf-System funktioniert. Dazu kommen weitere Verfahren: Krafttests, EKG, Herz-Ultraschall, Bluttests und diverse Fragebögen.

Mann bei der Spiroergometrie
Mithilfe der Spiroergometrie werden die Atemgase unter sportlicher Belastung bei Betroffenen untersucht. © vm / E+ / Getty Images Plus

#BeatYesterday.org: Das klingt sehr weitreichend für ein Basic-Assessment. Warum der große Aufwand?

Dr. Stefano Palma: Die langfristigen Folgen einer Covid-Infektion sind sehr heterogen, sie unterscheiden sich stark. Nur ein paar Beispiele: Eine dauerhafte Erhöhung des Ruhepulses. Eine gefühlte Luftknappheit oder Kurzatmigkeit. Ein Verlust der sportlichen Leistungsfähigkeit. Dazu kommen psychische Probleme wie Depressionen oder Schlafstörungen. Es gibt viele und sehr unterschiedliche Symptome, die die Betroffenen belasten.

#BeatYesterday.org: Können die Folgen von Long Covid jeden Menschen ereilen? Bisher galt das bekannte Narrativ, dass vor allem Vorerkrankte und Ältere durch das Virus besonders gefährdet sind.

Dr. Stefano Palma: Bei Long und Post Covid zeigt sich, dass es wirklich jede*n treffen kann. Unter den Projekt-Teilnehmenden mit langfristigen Folgen sind überwiegend junge bis mittelalte Frauen und Männer vertreten. Einer unserer Betroffenen ist erfolgreich im Leistungssport als Ausdauersportler aktiv.Die Delle in seiner Leistungsfähigkeit ist momentan deutlich sichtbar. Niemand, egal wie sportlich oder nicht, ist vor den Folgen einer Infektion gefeit.

#BeatYesterday.org: Bevor wir weiter ins Detail gehen: Sie sprechen von Long UND Post Covid. Ist beides nicht dasselbe?

Dr. Stefano Palma: Wir sind in der Medizin langsam so weit, dass wir einheitlich Unterscheidungen vornehmen können. Wir sprechen in den ersten vier Wochen nach einer Infektion von einem akuten Covid-Syndrom. Sind vier Wochen nach Tag X noch Symptome spürbar, bezeichnen wir das als Long Covid. Sind die Auswirkungen der Krankheit auch nach drei Monaten nicht fort, müssen wir von Post Covid sprechen.

#BeatYesterday.org: Wie lange kann Post Covid Menschen plagen?

Dr. Stefano Palma: Die Symptome können bis zu sechs Monate – und auch noch länger – die Betroffenen begleiten.

#BeatYesterday.org: Sie erwähnten, dass besonders junge und fitte Menschen von langwierigen Corona-Folgen betroffen sind. Wissen Sie, warum das so ist?

Dr. Stefano Palma: Wir haben noch keine validierten, also gesicherten Erkenntnisse. Manche vermuten, dass das stärkere Immunsystem von jungen und fitten Menschen dafür verantwortlich ist. Es also bei der Abwehr des Virus zu einer Überreaktion kommt, die nicht so rasch wieder abnimmt. Das klingt für mich plausibel. Es kann auch sein, dass die Viren – aus noch unbekannten Gründen – bei Jüngeren länger im Organismus verbleiben und somit einen Entzündungsprozeß aufrechterhalten. Wie gesagt: Es ist noch unklar, was genau zu dieser Entwicklung führt.

Frau schaut traurig aus dem Fenster
Viele Menschen verspüren nach ihrer Corona-Erkrankung Antriebsschwache. © iStock / Getty Images Plus / franckreporter

#BeatYesterday.org: Sie sprachen ein heterogenes Bild an, also unterschiedliche Symptome. Gibt es auch Anzeichen, die alle Betroffenen gemeinsam haben?

Dr. Stefano Palma: Der langfristige Ausfall des Geruchs- und Geschmackssinns ist so ein Symptom, dass viele trotz unterschiedlicher Verläufe gemein haben und oftmals alleinig auftritt. Auch beklagen viele Betroffene eine Fatigue, also eine deutlich spürbare Abgeschlagenheit und Antriebsschwäche. Interessanterweise leiden manche Covid-Erkrankte unter ähnlichen Folgen wie Krebskranke nach einer Chemotherapie, nämlich unter einem starken Erschöpfungszustand. Das sagt einiges über den Schweregrad der Beschwerden aus.

#BeatYesterday.org: Wie kann Sport und Ernährung dabei helfen, diese gravierenden Probleme zu beheben?

Dr. Stefano Palma: Wir wissen bereits aus der Psychotherapie, welch markanten Einfluss Sport auf die Psyche haben kann. Durch Bewegung tritt eine natürliche Stimmungsaufhellung ein, die nicht durch Medikamente herbeigeführt wird. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Außerdem gibt es zahlreiche Studien, die zeigen, wie positiv sich eine körperliche Aktivität auf den empfundenen Stress und die Schlafqualität auswirken kann.

#BeatYesterday.org: Die Gruppen, die Sie in Ihrem Projekt betreuen, werden mit Smartwatches von Garmin ausgestattet. Warum?

Dr. Stefano Palma: Die Garmin Venu Sq zeichnet im Alltag viele Werte auf, die für unser Projekt interessant sind. Die Qualität des Schlafes, den Ruhepuls über den gesamten Tag, die Bewegungsumfänge, sogar die Herzfrequenzvariabilität. Das sind alles Informationen, die dabei helfen, den Status quo der Kolleg*innen nachzuvollziehen und Entwicklungen langfristig zu beobachten.

#BeatYesterday.org: Kann man anhand von Daten, die Smartwatches von Garmin messen, Long oder Post Covid erkennen?

Dr. Stefano Palma: Wir müssen zwei Dinge beachten. Erstens: Die Smartwatches von Garmin genießen einen guten Ruf, und das nicht nur im Bereich der GPS-Navigation. Trotzdem reden wir ausdrücklich nicht von medizinischen Geräten. Es muss noch validiert werden, wie präzise die Daten sind. Erste Erkenntnisse stimmen mich aber optimistisch. Zweitens: Fehlen uns zumeist Vorher-nachher-Vergleiche. Wir haben einen präzisen und aktuellen Ruhepuls-Wert, aber eben oft keine Daten, die aus der Zeit vor der Infektion stammen. Das erschwert die Analysen.

#BeatYesterday.org: Welche Daten bewerten Sie perspektivisch als besonders spannend?

Dr. Stefano Palma: Die Schlafanalysen von Garmin. Auch wenn diese in der Medizin nicht denselben Stellenwert wie Untersuchungen im Schlaflabor genießen, was Goldstandard ist, können wir Schlafprobleme anhand der aufgezeichneten Zyklen detektieren. Für uns Mediziner*innen ist beispielsweise sehr interessant, wie sich die Sauerstoffsättigung im Blut über die Nacht verändert. Auch diese Werte können auf etwaige Schlafstörungen hinweisen.

#BeatYesterday.org: Können Nutzer*innen von Garmin-Geräten aus ihren Werten mögliche Post-Covid-Erscheinungen ableiten?

Dr. Stefano Palma: Sie können sicher erkennen, wenn sich ihr Ruhepuls merklich verändert. Die Ruhe-Herzfrequenz scheint bei Betroffenen, die unter Long Covid oder Post Covid leiden, deutlich erhöht zu sein. Um vielleicht 10 bis 15 Prozent. Besonders Sporttreibende sollten diese Anomalie relativ schnell bemerken, weil sie es gewohnt sind, auf ihren Körper und dessen Vitaldaten zu achten. Viel wichtiger ist es, die Menschen zu sensibilisieren, die das nicht im Alltag tun.

#BeatYesterday.org: Was empfehlen Sie Menschen, denen es auch Wochen nach einer Erkrankung noch nicht viel besser geht?

Dr. Stefano Palma: Den Besuch beim Hausarzt oder der Hausärztin. Sie kennen und verstehen ihre Patient*innen am besten. Auch können sie, sofern ein ernsteres Problem vorliegen sollte, die Betroffenen an entsprechende Fachärzt*innen überweisen. Besonders bei Kurzatmigkeit ist es sehr ratsam, Pneumolog*innen, also Lungenspezialist*innen hinzuzuziehen. Sporttreibende, die wieder voll ins Training einsteigen möchten, sollten zumindest ein Ruhe-EKG erwägen. So schließen sie aus, dass das Herz und die dazugehörigen Gefäße durch Corona Folgeschäden erlitten haben.

#BeatYesterday.org: Was sind ihre Empfehlungen für Menschen, die sich vor Long Covid schützen wollen?

Dr. Stefano Palma: Der noch immer wichtigste medizinische Rat ist die Impfung. Um offen zu sein: Es gibt auch bei uns in unseren Trainingsgruppen Betroffene, die trotz Impfung eine Infektion und die daraus resultierenden Spätfolgen erlitten haben. Es ist aber statistisch betrachtet die deutliche Minderheit. Auch sind die Symptome bei denjenigen stärker ausgeprägt, die bereits erkrankt sind, als noch keine Impfung verfügbar war. Wer sich nicht impfen lassen möchte, erhöht definitiv sein Risiko für langfristige Folgen.

#BeatYesterday.org: Mal unabhängig von der Impfung, unabhängig von Corona: Wie kann jeder Mensch unmittelbar vor der Grippesaison seine Abwehrkräfte stärken?

Dr. Stefano Palma: Das sind die bekannten Basics: ausgewogene Ernährung und sehr viel Bewegung. Mindestens 150 Minuten in einem moderaten Umfang, oder aber 75 intensive pro Woche, kombiniert mit Krafttrainings. Sport ist eine der effektivsten Vorbeugungsmaßnahmen, die wir kennen. Deshalb hoffe ich, dass es keine Lockdowns gibt, bei denen sofort die Sporteinrichtungen abgesperrt werden. Denn körperliche Fitness, egal, wo wir sie uns erarbeiten, ist sehr wichtig, um uns nicht nur vor Corona zu schützen.

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