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Weltenbummler trotzen Corona-Krise

Anika Brust und Denis Scharnow umrunden mit dem Fahrrad die Welt. Nach 11.000 Kilometern durch 14 Länder bremste Corona die Weltenbummler aus. Ein Gespräch über Freiheit und Selbstfindung.

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Anika Brust und Denis Scharnow winken aus ihrem Appartement in Baku. Die Video-Schalte nach Aserbaidschan funktioniert so gut, als würde das Paar gleich nebenan und nicht 3.000 Kilometer entfernt sitzen. Da auch in dem Staat am Kaspischen Meer seit Mitte März die Grenzen wegen der Corona-Krise geschlossen wurden, kommen die Weltenbummler aus Hamburg nicht weiter.

Im Interview mit #BeatYesterday.org-Redakteur Oliver Kramer erzählen die Nordlichter, wie sie seit Juni 2019 mit ihren Fahrrädern ostwärts nach Westen ziehen. Ein Roadtrip mit schrägen Typen, gefährlichen Hindernissen und atemberaubenden Sonnenuntergängen.

#BeatYesterday.org: Wie erlebt ihr die Corona-Krise in Baku?

Anika Brust: Wir hatten Glück im Unglück. Hätten wir bei Ausbruch der Pandemie bereits Kasachstan erreicht, wären wir wohl dort nach Deutschland ausgeflogen worden. In Aserbaidschan gilt unser Visum bis 1. Juni und kann problemlos verlängert werden. Unser Hotel in Baku wurde wegen der Pandemie geschlossen. Der Manager hat uns ein Appartement angeboten – 133 Quadratmeter für elf Euro pro Tag. Wir hätten es schlechter treffen können.

Denis Scharnow: Hier ist alles stärker reglementiert. Man darf nur maximal drei Stunden pro Tag raus, um zu arbeiten, einzukaufen oder zum Arzt zu gehen. Vor Verlassen des Hauses müssen wir eine SMS an die Behörden schreiben. Draußen wird auch viel durch Polizei und Militär kontrolliert. Trotzdem gehen die Einheimischen gelassen mit den Regeln um. Die Busse, die hier fahren, sind jedenfalls voll.

#BeatYesterday.org: Hat euch Corona ein Stück weit die Freiheit geraubt?

Denis: Wir sind auf diese Reise gegangen, um unser Leben selbst gestalten zu können. Das geht aktuell nicht. Da aber Corona derzeit alle Menschen auf der Welt betrifft, kann ich mich mit der Zwangspause arrangieren.

#BeatYesterday.org: Was war der Auslöser für diese Weltreise?

Anika: Wir haben uns fremdbestimmt gefühlt. Wann muss ich morgens aufstehen, wann abends ins Bett gehen? Da waren viele Dinge vom Arbeitgeber vorgegeben. Wir haben beide festgestellt, dass wir uns unsere Zeit selbst einteilen wollen. Und da wir schon immer gern gereist sind, fiel uns der Schritt relativ leicht.

Anika Brust (Jahrgang 1989) und Denis Scharnow (Jahrgang 1983) stammen aus Mecklenburg-Vorpommern und wohnten zehn Jahre lang in Hamburg. Schon bevor die Aussteiger 2019 ihre Jobs als Logistikleiter beziehungsweise Controllerin aufgaben und auf dem Fahrrad ihre Weltreise antraten, haben sie leidenschaftlich gern fremde Länder und Kulturen erkundet. Die Globetrotter fuhren mit dem Zug nach Japan, umrundeten mit dem Auto die Ostsee und unternahmen auf Kuba einen Roadtrip. Nebenbei sind sie begeisterte Fans vom Fußballclub Hansa Rostock. Auf ihrem Reiseblog www.ostwaerts-nach-westen.de berichtet das Paar detailliert über seine Weltreise und weckt bei Reisefans gerade in Zeiten der Corona-Pandemie das Fernweh.

#BeatYesterday.org: Wie schwer fiel es euch, euer gesamtes Hab und Gut zu verkaufen?

Anika: Überraschend einfach. Wir haben Abos, Wohnung und Versicherungen gekündigt und unseren Hausstand verkauft. Wir müssen uns in der Heimat um nichts, als um unsere Freunde und Familie kümmern. Heute besitzen wir nur noch die Sachen, die auf unsere Fahrräder passen. Und selbst das ist manchmal zu viel.

Denis: Eine tolle Erkenntnis, dass man sich wahnsinnig stark reduzieren kann. Ich brauche keinen Fernseher, um zu überleben und um glücklich zu sein. Sich auf das Notwendigste zu begrenzen, ist befreiend und macht das Leben einfacher.

#BeatYesterday.org: Wie orientiert ihr euch auf eurer Reise und wo verbringt ihr die Nächte?

Denis: Im Schnitt schaffen wir 50 bis 60 Kilometer pro Tag. Das variiert aber je nach Lust und Laune stark. Wir haben einen größeren Plan, der über Hunderte Kilometer führt. Die Route plane ich über eine Handy-App. Auf jeder Etappe suche ich ein paar Orte als Fixpunkte aus, die wir uns anschauen oder wo wir übernachten wollen. Manchmal führt uns das Navi plötzlich vor eine steile Treppe oder ein Flussufer ohne Brücke. (lacht)

Anika: Meistens schlafen wir im Zelt. Unter freiem Himmel ist es am schönsten. Sonst buchen wir auf Internet-Plattformen wie Couchsurfing oder Warm Showers eine kostenlose Unterkunft. Ganz oft werden wir aber auch von Leuten eingeladen und ganz toll bekocht und bemuttert.

Anika Brust und Denis Scharnow fahren mit dem Fahrrad eine Straße entlang. In der Ferne sieht man hunderte Heißluftballons am Himmel.
Endlose Straßen und manch Highlight am Himmel versüßen den Roadtrip. © privat / ostwaerts-nach-westen.de

Ihre Route führte bislang über Polen ins Baltikum, nach Russland und danach Richtung Süden über die Slowakei, Ungarn, Serbien, Kosovo, Nordmazedonien und Griechenland in die Türkei. Nach einer Winterpause fuhr das Paar nach Georgien und Aserbaidschan – insgesamt 11.335 Kilometer in 344 Tagen.

#BeatYesterday.org: Wie nehmt ihr Menschen und fremde Kulturen wahr?

Anika: Es gibt so viele unterschiedliche Menschen und Lebensansätze. Was viele eint, ist ihre Gastfreundschaft. In der Türkei wurden wir schon so oft zum Tee eingeladen. In Georgien gab es am Straßenrand ein Gläschen Wein oder Wodka.

Denis: In Serbien lief uns eine ältere Frau brüllend hinterher und schenkte uns Äpfel. Das kam so unerwartet und steht symbolisch für ganz viele nette Begegnungen. In der Türkei hat sich einer unserer Gastgeber illegal eine Hütte am Schwarzen Meer gebaut. Da war nur ein Ofen drin und draußen am Strand stand die Badewanne.

#BeatYesterday.org: Was war eure schrägste Begegnung?

Anika: Das war in Anatolien, wo im Winter bis zu zweistellige Minusgrade herrschten. Neben uns hielt ein Transporter und nahm uns bis nach Sivas mit. Abends teilten wir uns zu dritt ein Hotelzimmer. Es war auch alles super nett. Später verschwand der Typ im Badezimmer und meinte, er würde jetzt Wäsche waschen. Als er aus dem Bad kam, trug er oben rum eine Sportjacke, unten herum nur ein schmales Handtuch. Er meinte, wir seien ja jetzt Freunde und könnten uns alle entspannen. Von da an war es für uns schwierig, sich auf ein normales Gespräch zu konzentrieren. Als wir am nächsten Morgen schnell los wollten, wachte er auf und hatte kein Handtuch mehr um. Trotzdem sagte er uns „Tschüss“ und umarmte uns herzlich.

Denis: Andererseits legt man in Anatolien offenbar den Islam strenger aus. Weil ich und Anika nicht verheiratet sind, hätten wir in einer Unterkunft nicht in einem Zimmer schlafen dürfen. Wir erklärten dem Hotelmanager, dass dies in Deutschland ganz normal sei. Daraufhin forderte er uns auf, so etwas wie eine Heiratsurkunde vorzulegen. Wir haben uns dann schnell ein Dokument aus dem Internet heruntergeladen, es ein bisschen bearbeitet und waren damit quasi inoffiziell verheiratet. Es würde vieles vereinfachen, wenn wir uns künftig einen Ring an die Hand stecken würden.

Anika Brust und Denis Scharnow im verschneiten Gebirge in der Türkei
Im türkischen Gebirge fuhren die Weltenbummler bei Minusgraden über die Berge. © privat / ostwaerts-nach-westen.de

#BeatYesterday.org: Wann wurde es für euch mal gefährlich?

Denis: Einmal standen wir vor einem Fluss, der bei einsetzendem Tauwetter eine starke Strömung aufwies. Da weit und breit keine Brücke zu sehen und das Wasser nur knietief war, schleppte ich mein Fahrrad auf die andere Seite. Das war extrem anstrengend und hat bald zwei Stunden gedauert. Als ich zurück war, haben wir beschlossen, dass die Aktion zu gefährlich ist und wir es sein lassen. Trotzdem musste ich mein Fahrrad, das ja noch drüben lag, wieder zurückholen. Gut, dass bei der Aktion nur eine Trinkflasche verloren ging.

Gefährlicher ist auf dieser Reise der Straßenverkehr. Die Autos und Lkws überholen teilweise so dicht, man könnte während der Fahrt glatt die Beifahrertür aufmachen. Da hatte ich schon öfter ein mulmiges Gefühl.

#BeatYesterday.org: Wo habt ihr die schönsten Sonnenuntergänge erlebt?

Anika: Wir sind viel am Strand entlanggefahren. Gerade im Baltikum ist die Ostseeküste wunderschön. Jede zweite Nacht, die wir zelten, erleben wir am Himmel ein neues Highlight.

Denis: Serbien war landschaftlich sehenswert. Auch die Winterlandschaft in Anatolien und der Blick auf einen zugefrorenen See war toll. Alles weiß – ein unfassbar schöner Sonnenuntergang.

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