Trainingslauf im Schnee – mit Florian Neuschwander

Der Grat, auf dem Florian Neuschwander läuft, ist schmal, gerade mal zwei Fuß breit, nass und glitschig. Rechts geht es steil, fast senkrecht bergab. Sein Blick wandert zwischen dem Boden direkt vor ihm und dem Horizont hin und her, um bloß keinen falschen Schritt zu machen. Zwar spürt der Ultraläufer einen von der Fußsohle bis in die Fingerspitzen aufsteigenden Adrenalinkick, aber am Ende siegt seine Vernunft. Er bricht ab. Auch, weil vor wenigen Wochen genau auf diesem Weg, der zum Hochgern in Oberbayern führt, eine junge Frau tödlich verunglückte.

Liebe zum Laufen

Florian Neuschwander ist Ultraläufer. Der 1,67 Meter große Saarländer liebt seit 2011 die Distanzen, die über einen Marathon hinausgehen – das Ultimative eben. 100 Kilometer und mehr hat er zum Teil nach einem Wettkampf in den Beinen. Mitte 2019 zog Florian von Frankfurt am Main nach Inzell in Oberbayern, um gemeinsam mit seiner Familie direkt am Berg zu leben, um dort zu sein, wo er als Leistungssportler wertvolle Höhenläufe machen kann.

Die felsigen und im Winter schneebedeckten Trainingsstrecken bieten dem Ultraläufer seitdem optimale Bedingungen. Er sammelt regelrecht Höhenmeter, denn jeder Meter nach oben und unten macht das Trainieren anstrengender und effektiver. Und in Kombination mit Schnee gehen die Einheiten im Winter an seine Belastungsgrenze und schulen so seine Grundlagenausdauer.

Im Gelände bereitet sich Florian auf Trail-Wettkämpfe vor. Der unebene Untergrund fordert Konzentration und Trittsicherheit. Das kommt ihm auch bei seinen demnächst anstehenden Straßenläufen, den Deutschen 100 Kilometer Meisterschaften im März 2020, zugute.

About Flo(w)

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Jahrgang: 1981
Beruf: gelernter Einzelhandelskaufmann
Passion & Berufung: Profisportler, Langstrecken- und Ultraläufer
Liebe zum Laufen: setzte mit 15 Jahren ein. Davor spielte er Tennis, was der falsche Sport gewesen sei, da er gelegentlich ausrastete, wie er selbst sagt.
Sein Motto: Run with the Flow. Es gibt aber auch Tage ohne diesen Flow, ohne Bock zu haben. Dann lässt der Ultraläufer auch mal eine Trainingseinheit sausen. Soll ja Spaß machen das Ganze.
Lieblingssnack: Erdnüsse und Erdnussbutter wie Instagram vermuten lässt.
Längste Wettkampfdistanz: 193 km beim Tranrockies Run in Colorado
Diesjähriges Ziel: insgesamt 6000 km auf der Uhr. Hier kannst du es verfolgen.

Wetterlage und Lawinenbericht: Check

Schon im Sommer birgt das Wandern und Laufen in den Bergen zahlreiche Gefahren. Plötzliche Wetterumschwünge, schlechte Sicht oder abgehende Geröllmassen sind nur einige davon. Im Winter verschärfen Lawinen, Schnee und Eiseskälte die Situation. Winterwanderer sollten sich dieser Gefahren bewusst sein. So wie Flo.

Für den Ultraläufer ist die richtige Ausrüstung und Vorbereitung daher vor jeder Trainingseinheit im Schnee entscheidend. Als Erstes checkt Florian die Wetterlage und den Lawinenbericht. An diesem trüben Wintermorgen macht er das vom Bett aus. Der Luftkurort Inzell steckt unter einer Wolkendecke, weshalb die Temperaturen draußen auch nur bei -2 Grad Celsius liegen. Neuer Schneefall ist nicht vorausgesagt. Das ist gut, denn so zeigt auch der Lawinenbericht, dass heute keine große Gefahr von abgehenden Schneemassen wegen Neuschnees ausgeht.

Mit einem Satz steht Florian vor seinem Kleiderschrank. Für die heutige Einheit reicht die lange Lauftight, das Thermounterhemd, ein Longsleeve und die winddichte Trainingsjacke. An klirrend kalten Tagen, wenn die Fensterscheiben eisig gefroren sind, schützt er Ober- und Unterkörper noch mit einer zusätzlichen Schicht Kleidung. Über die lange Lauftight kommt eine kurze Hose und eine Weste über die Jacke, um den Oberkörper vor dem Auskühlen zu schützen.

Florians Faszination vom Laufen im Schnee

Im Schnee läuft Flo außerhalb von Bestzeiten. Zeit spielt im Schnee keine Rolle, er kann sie einfach vergessen. Das Hindernis aus gefrorenem Wasser ist jedes Mal anders: Mal pulvrig weich, sodass man bis zu den Knien darin versinkt. Mal eine eisig harsche Angelegenheit – auch durch die ausgetretenen und gefrorenen Spuren der Spaziergänger.

Und im Grunde gehts nur um eins: den Gipfel zu erreichen.

Den Großen Kienberg, seinen Hausberg, erklimmt Florian Sommer wie Winter. Die 5,5 Kilometer und 810 Höhenmeter schafft er bei frühlingshaften Temperaturen in knapp 38 Minuten. Im Schnee braucht er dafür doppelt so lang und macht die Strecke auch nur einmal. Im Sommer „ballert” er dagegen dreimal hoch und runter, mehr als 15 Kilometer und 2.000 Höhenmeter kann er dafür auf seinem Trainingskonto gutschreiben.

Stöcke statt Schneeketten

Mit Blick aus dem Fenster sieht Flo den in der Nacht frisch gefallenen Schnee auf der Fensterbank. Es ist nicht eisig kalt. Kaum Rutschgefahr. „Schneeketten” für seine Laufschuhe braucht der Läufer an diesem Tag also nicht. Die Stöcke nimmt er allerdings mit. Sie sind leicht und handlich, da sie gefaltet werden können.

Fertig angezogen geht Florian die Treppe runter, schlüpft im Flur in seine Laufschuhe, öffnet die Haustür und setzt einen Schritt auf den frisch gefallenen Schnee. Ein leises Knirschen ist zu hören, dass lauter wird, als er sein Gewicht weiter vorn auf den Fuß verlagert. Mit der rechten Hand die Tür zuziehend ist er schon fast im Laufschritt.

Nach den ersten drei Atemzügen an der eisigen Luft ist er voll da. Muss er auch, denn der Schnee verlangt seine volle Aufmerksamkeit. Nach wenigen Hundert Metern geht es bergauf. Flo lässt die Stöcke aufspringen, steckt sie zusammen. Alles innerhalb weniger Sekunden, dank des Klick-Systems.
Bergauf ist es deutlich einfacher mit den Stöcken, wenn er sich zusätzlich abstützen und nach vorne wegdrücken kann. Und diese Energie braucht er, denn jeder Schritt im Schnee verbraucht so viel Kraft wie drei Schritte ohne Schnee.

Er muss die Knie weit nach oben ziehen, um den Fuß dann ein paar Zentimeter weiter wieder in den weißen Massen verschwinden zu lassen. Dabei immer ein Stock vor den anderen. Das ist der Bewegungsablauf, bei dem der Ultraläufer in den Flow kommt, bei dem er das Gefühl für Zeit verliert und es auch nicht vermisst.

Die Geräusche um ihn herum hören sich durch die Schneedecke gedämpft an. Das weiße Pulver schluckt den Lärm und auch Florian. Immer wieder sackt er ein. Das zieht ordentlich Kraft. Kein Wunder, dass seine Uhr nach dem Training ähnlich hohe Pulswerte zeigen wird, wie nach einem Training im Sommer, wenn er die Strecke dreimal gelaufen ist.

Der Glücksrausch

Noch wenige Meter bis zum Gipfelkreuz. Die beste Belohnung: Das Geschafft-zu-haben-Gefühl nach einem harten, kräftezehrenden Anstieg. Genau jetzt setzt es ein, Flo ist oben angekommen auf 1.549 Metern über den Chiemgauer Alpen. Der Ausblick heute ist eher bescheiden. Nun ja, es ist bedeckt. An guten Tagen sieht er die Gipfel der Alpen im Hintergrund.

Nach kurzer Verschnaufpause gehts zurück. Wieder mit Stöcken. Mit leicht nach vorne gebeugtem Oberkörper versucht sich Flo mit den Laufhilfen abzufangen, um nicht mit jedem Schritt einen halben Meter einzusacken. „Kraft sparen“, lautet das Motto. Voll in seinem Element rennt Florian fast dem Tal entgegen. Unten angekommen im Adrenalinrausch, der ihn weiterhin trägt.

Berauscht war Florian auch bei seinem Lauf auf den Hochgern. An dem Julitag, an dem er dort oben auf dem schmalen Grat lief, nahm Florian einen Umweg von 10 Kilometern in Kauf. Es war egal, Hauptsache sicher zurück. Sicherheit geht vor. Genau das gibt er auch dir mit auf den Weg und weitere Tipps.

Der Gewinner ist Paul Block

Er liebt Schnee. Er läuft gern. Und er wollte schon immer einmal mit Florian Neuschwander hoch hinaus. Paul Block gewinnt ein exklusives Treffen mit dem Ultraläufer. Dabei wollen sie gemeinsam einen Berg erklimmen, bei einer Brotzeit fachsimpeln und die wunderschöne Winterlandschaft genießen.

Über das Los entschied Anna Baldig von der #BeatYesterday-Redaktion. Sie zog den Zettel mit dem Namen Paul Block aus dem Topf mit mehr als 100 Losen.  

Herzlichen Glückwunsch!

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