ActiveOutdoor

„Ohne Veranstalter sind wir ärmer an Abenteuern”

Vielerorts werden Marathon- und Triathlon-Events abgesagt. Veranstalter bangen um ihre Existenz. Warum es jetzt Solidarität braucht – ein Gastbeitrag von HeidelbergMan-Rennleiter Martin Schmidt.

Teilen
0

46,6 Kilometer Triathlon können verdammt brutal sein. Besonders wenn es so heiß ist, dass einem die Schuhsohlen auf dem Asphalt anschmelzen. Beim HeidelbergMan brennt in manchem Jahr die Luft. Jeder Schritt verlangt Überwindung. Die Zeit schleicht zum Ende sehr langsam dahin, weil es eine fünf Kilometer lange Rampe hinauf geht. Manche Athleten hassen diesen Streckenabschnitt mit inbrünstiger Leidenschaft.

Auf diesem Teilstück habe ich vor ein paar Jahren eine bittere Erfahrung gemacht. Ich saß als Kampfrichter auf einem dieser modernen E-Bikes und begleitete die Läufer. Ein entspannter Job. Dann hörte der Motor auf zu summen. Der Akku war leer. Das E-Bike wollte mich nicht mehr tragen. Ich musste den schweren Elektro-Gaul über die Kuppel ins Ziel schleppen. Eine Qual. Auch für mich als langjährigen Triathleten.

„Ohne die so vieles nicht möglich wäre”

Hätte ich die Wahl, würde ich im Sommer die gesamte Rad- und Laufstrecke mit einem kaputten E-Bike fahren. Das hieße ja, dass unser HeidelbergMan-Triathlon definitiv stattfinden könnte. Ob es das Rennen Ende Juli geben wird, ist völlig unklar. Aufgrund der gesellschaftlichen Krisenlage wissen wir nicht, ob sich über 1.000 Teilnehmer dem Kampf gegen Fluss, Berg und Hitze stellen dürfen. Das ist eine traurige und gleichzeitig unvorstellbare Situation. Der HeidelbergMan ist ein traditionsreiches Event. Ob Hitze oder morgendlicher Wolkenguss, der die Strecke überschwemmt: Eigentlich konnte uns nichts anhaben. Dann kam Corona.

Für Veranstalter, wie wir es sind, ist die Lage trotz dieses Bewusstseins prekär. Landauf, landab werden Events abgesagt, auch prominente Veranstaltungen wie die Challenge Roth. Es erwischt die Großen und die Kleinen. Existenzen sind bedroht. Besonders die regionalen Events, die kleine und mittelständische Unternehmen oder Vereine liebevoll organisieren, können sich eine Absage kaum leisten. Nun braucht es Solidarität. Es geht um die Zukunft unseres Sportes, um einen vollen und vielseitigen Wettbewerbskalender. Um um die Menschen, die sich jedes Jahr für Läufer, Radfahrer und Triathleten einsetzen. Diese leidenschaftlichen Überzeugungstäter, ohne die so vieles nicht möglich wäre, benötigen Hilfe.

Publikum beim Heidelberger Triathlon feuert Teilnehmer an, die gerade aus dem Wasser kommen
Raus aus dem Wasser, ab ins Publikum: Beim Heidelberger-Triathlon säumen Hunderte Schaulustige die Strecke. © Marc Wiegelmann

Fair Play ist das Wichtigste

Wir vom HeidelbergMan haben Glück und befinden uns in einer verhältnismäßig stabilen Situation. Unser Triathlon wird von zwei Vereinen veranstaltet. Wir verfolgen kein Gewinninteresse. Kein Vollzeitjob ist bei uns gefährdet, weil wir uns ehrenamtlich engagieren. Der Verein hat in den Vorjahren mit starken Partner gut gewirtschaftet. Wir können ein Jahr ohne Event überstehen. Eine Absage tut uns finanziell weh, schmerzt aber mehr emotional. Vielen anderen ergeht es schlimmer. Sie rutschen schuldlos in eine Misere hinein, von der wir nur erahnen können, wie lange sie noch andauern wird.

In unserem Organisationsteam haben wir uns bereits mit vielen möglichen Szenarien beschäftigt. Was passiert, wenn wir Ende April für den Juli absagen müssen, weil eine Realisierung des Events unwahrscheinlich ist? Wie gehen wir wirtschaftlich mit diesem Einschnitt um?

Wir sind in der Lage, alle bereits eingezahlten Meldegelder komplett zurückzuzahlen. Selbst wenn wir noch keine einzige Anfrage eines Teilnehmers bekommen haben, ob es das Antrittsgeld im Falle einer Absage vollständig zurückgibt, ist dieses Vorgehen für uns alternativlos. Viele unserer langjährigen Mitstreiter haben sich bereits angemeldet und die Startsumme voll bezahlt. Andere, die spontanen Sportler, warten mit der Anmeldung und der Überweisung der Gebühr, bis sie Gewissheit haben, ob das Rennen wirklich stattfindet. Sollten wir unsere treuen Athleten, die sich früh anmelden und bezahlen, die uns vertrauen, für diese Unterstützung bestrafen? Fair Play ist in diesen Tagen im Sport wichtiger als jemals zuvor. Und zwar von beiden Seiten.

Teilnehmer des Heidelberger Triathlon beim Radfahren durch die Stadt
Immer Sommer verwandelt sich Heidelberg in einen Glutofen. Der Fahrtwind kühlt die Frauen und Männer auf dem Rad. © Marc Wiegelmann

Es geht um unseren Sport

Als Triathlontrainer und Sportler, der die kleinen Events besonders wertschätzt und das Familiäre mag, habe ich noch einen zweiten Blick auf das Thema. Ich verstehe und unterstütze jeden Veranstalter, der zumindest einen Teil des Startgelds als Bearbeitungsgebühr einbehalten möchte, das mitunter sogar muss. Oder die Initiativen, die dafür werben, einen Start nicht abzusagen, sondern um ein Jahr aufzuschieben. Es geht um Familieneinkommen und Existenzen. Und es geht, wie ich eingangs schrieb, um unseren Sport und sein Fortbestehen.

Als ich noch ein junger Athlet war und nicht Teil eines Organisationsteams, das Zeit und Herzblut in einen Kalendertag investiert, habe ich viele Dinge nicht sehen können. Wie viel Aufwand ein Rennen verlangt. Wie teuer alleine die Absperrmaßnahmen sind. Was die Errichtung einer sogenannten Wechselzone kostet. Welche Anforderungen Kommunen stellen.

Athleten und Zuschauer bilden eine große Menschenmenge auf einer Wiese
Großes Getümmel: Etwa 1.000 Athleten nehmen jedes Jahr am HeidelbergMan teil. © Marc Wiegelmann

Solidarität und Zusammenhalt

Hinter jedem Rennen stehen Dutzende Menschen, die mit Freude anpacken und die herausragende Ergebnisse der Sportler erst möglich machen. Für viele Athleten sind diese Macher oft unsichtbar. Während des Wettkampftages sind sie selten auf der Strecke zu sehen. Nun dürfen wir sie nicht vergessen.

In den vergangenen Jahren fanden die allermeisten Events ohne Nebengeräusche wie geplant statt. Die Veranstalter waren für die Teilnehmer da. Ich wünsche mir, dass es dieses Jahr andersherum funktioniert. Ich höre von vielen Bekannten aus Vereinen, das der Zusammenhalt und die Solidarität untereinander wächst. Unser Sport wäre ohne Vereine und Veranstalter um viele Abenteuer ärmer. Dieses Jahr müssen die Teilnehmer ihren Beitrag leisten, damit wir sie schützen und uns bewahren.

Wir organisieren weiter

Ich habe in den vergangenen Tagen häufiger an meinen ersten und einzigen aktiven HeidelbergMan gedacht. Ein echtes Mistrennen. Ich hatte es versäumt, meine Fahrradschuhe in der Wechselzone zu deponieren. Ich musste also mit meinen Laufschuhen aufs Rad steigen. Ein Graus. Meine Zeit habe ich schnell vergessen, so enttäuscht war ich. Ins Ziel bin ich trotzdem gekommen.

Und dann ist da noch ein Herr, über siebzig, der sichtbar älter wird und dennoch jedes Jahr wiederkommt. Er schwimmt, er fährt, er rennt, ganz am Ende des Felds, sehr weit hinter allen anderen. Seit Ewigkeiten sagen wir, dass wir mit dem Sperren des Zieleinlaufs warten müssen, bis er über den Schlussstrich läuft. Und Rennen für Rennen kommt er just in diesem Moment, wenn wir sein pünktliches Finish anzweifeln, um die letzte Kurve gebogen. Wir werden alles dafür tun, dass dieser Mann – falls nicht in diesem Jahr, dann eben 2021 – wieder den HeidelbergMan bezwingen darf. Egal was in den kommenden Wochen passiert. Wir machen weiter. Für die Mitglieder. Für die Sportler. Für uns.

Auch Interessant

Fenix 6-Serie

Garmin Wearables
04.09.2019

Entdecke das Beste in dir: Fenix 6 • Fenix 6 PRO • Fenix 6 SAPPHIRE

Geht mit dir durch jedes Abenteuer:

  • zahlreiche Sport- und Outdoor-Apps für alle deine Aktivitäten
  • finde deinen Weg – mit GPS, Kompass, Höhenmesser, Streckennavigation, Trackback
  • mit einer Akkupower, die auch lange Touren mitmacht
  • entdecke smarte Features wie Garmin Pay zum bargeld- und kontaktlosen Bezahlen mit der Uhr
  • edles, robustes Design – und mit den Quickfit-Wechselarmbändern passt du deine Garmin schnell jeder Situation an – zum Sport, beim Meeting oder Dinner

zu Garmin.com
Weitere Themen
Meinungen

Diskutiere über diesen Artikel und schreibe den ersten Kommentar:

Jetzt mitdiskutieren
Keine Kommentare

Diskutiere über diesen Artikel