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Klettern am Limit: Blutige Finger garantiert

Mit ihrem Mut versetzt sie Berge: Lena Herrmann gehört zu den besten deutschen Sportkletterinnen am Felsen. Die Hildesheimerin spricht über Ehrgeiz und Scheitern. Dazu gibt sie Tipps für Einsteiger.

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Wenn Lena Herrmann durch das Frankenjura streift, ist sie eins mit der Natur. In dem Gebiet zwischen Nürnberg, Bamberg und Bayreuth findet die Sportkletterin 1.000 Felsmassive und Türme mit insgesamt mehr als 10.000 Routen vor. Ein Eldorado für Himmelsstürmer. „Der Wald, die Felsen und Freunde, mit denen ich den ganzen Tag im Freien verbringen kann, – das fühlt sich einfach richtig an“, sagt die 26-Jährige.

In der Fränkischen Schweiz, die zu den besterschlossenen Klettergebieten der Welt zählt, findet Lena immer wieder neue Herausforderungen. „Es liegt dort etwas Historisches in der Luft. Hier entwickelte sich die Sportkletterbewegung stark und setzte weltweit Maßstäbe“, sagt Lena.

Als erste Frau bewältigte die Hildesheimerin 2016 die schwierige Route „Battle Cat“ und ebnete damit den Weg für weitere Sportkletterinnen. „Es gibt so viele starke und fitte Frauen in Deutschland. Vielleicht fühlt sich ja die ein oder andere von meiner Leistung inspiriert“, hofft Lena.

Im Interview mit #BeatYesterday.org-Redakteur Oliver Kramer spricht die frühere Deutsche Meisterin und heutige Trainerin über die Faszination Felsklettern, ihre Laufbahn als Leistungssportlerin und neue Kletterprojekte.

Lena Herrmann beim Klettern in traumhafter Kulisse
Felsen, Türme, Boulder: Lena Herrmann sucht sich in den Klettergebieten immer neue Herausforderungen. © larsscharlphoto

#BeatYesterday.org: Lena, wo liegen die Wurzeln deiner Kletter-Leidenschaft?
Lena Herrmann: Meinen Eltern war wichtig, dass wir viel draußen sind. Mein Papa war begeisterter Kletterer und Bergsteiger und nahm mich und meine Schwester oft in den Wald mit. Anfangs haben wir an den Felsen nur gespielt, nach und nach wurde der Kletteranteil größer. Parallel ging ich in die Boulderhalle und trat mit 12 in den Alpinclub Hannover ein. Mit 15 wurde ich Mitglied des Norddeutschen Felskaders, wo die Zusammenarbeit mit meinem jetzigen Trainer begann. Da hat es dann Klick gemacht.

#BeatYesterday.org: Aus deinem Hobby wurde schnell Leistungssport. Hättest du mit diesem Aufstieg gerechnet?
Lena: Na ja, die Kletterszene im Norden ist recht überschaubar, da fiel mein Talent relativ schnell auf. Das Bouldern und das Klettern mit Seil liefen bei mir immer parallel. Da ich in der Jugend in beiden Disziplinen erfolgreich war, kam ich erst in den Leistungskader, später in die Nationalmannschaft und durfte bei internationalen Meisterschaften starten. 2015 wurde ich Deutsche Meisterin im Seilklettern, merkte da aber, dass mir Wettkämpfe vom Stressfaktor her nicht so liegen und ich mich stärker auf das Felsklettern fokussieren will.

Lena Herrmann beim Felsklettern
Beim Felsklettern ist die Hildesheimerin voll in ihrem Element und eins mit der Natur. © larsscharlphoto

#BeatYesterday.org: Was fasziniert dich am Felsklettern?
Lena: Diese Faszination steckt tief in mir drin. Es fühlt sich einfach richtig an. Ich bin den ganzen Tag mit meinen Freunden im Wald und kann mir frei meine eigenen Herausforderungen suchen. Außerdem entdeckst du megabeeindruckende Orte. Ich war mal in Südafrika, bei den Klettergebieten dort fiel mir die Kinnlade runter. Um dort zu bestehen, muss man schon fit sein.

#BeatYesterday.org: Aus welchen Bausteinen setzt sich dein Training zusammen?
Lena: Da ist zum einen das Bouldern als kletterspezifisches Krafttraining, bei dem ich fokussiert sechs bis acht Züge an der Kletterwand ausübe. Zusätzlich trainiere ich meine Unterarme, um kleinere Griffe festhalten zu können. Temporär gehe ich laufen oder ins Fitnessstudio. Und dann ist da noch der Dachboden in unser WG. Da habe ich mit einer Kletterwand, Turnerringen, einer Reckstange und Zusatzgewichten alles, was ich brauche.

Lena Herrmann beim Bouldern in der Kletterhalle
Lena studiert in Bayreuth Sportökonomie und baute sich in ihrer WG eine eigene Boulder-Wand auf. © larsscharlphoto

#BeatYesterday.org: Die physischen Voraussetzungen sind wichtig. Aber wie sieht es mit der Psyche aus?
Lena: Wichtig ist, Begeisterung für das Sportklettern und der innere Antrieb, etwas erreichen zu wollen. Ohne Disziplin und Hartnäckigkeit geht es nicht. Wenn man wie ich das x-te Mal zwei, drei Züge vor Ende einer Route scheitert, muss man eine hohe Frustrationstoleranz mitbringen. Heute weiß ich, dass es manchmal besser ist, es nicht mit der Brechstange zu versuchen und eine längere Pause einzulegen.

#BeatYesterday.org: Dein Durchhaltevermögen wurde belohnt. 2016 hast du als erste Frau die schwierige Route „Battle Cat“ im Frankenjura bewältigt. Was hat dir das bedeutet?
Lena: Diese Linie ist mit 70 Zügen sehr lang, der Fels hat dort weniger Struktur. Das machte es so schwierig, Griffe und Tritte zu finden, die mir Halt gaben, und verlangte mir mehr Kraft und Ausdauer ab als andere Routen. In dem Moment, als ich oben anschlug, war es ein unbeschreibliches Gefühl. Dass ich als erste Frau eine dieser schwierigen Route bewältigt habe, hat mich tief bewegt. Wichtiger ist mir allerdings, dass ich andere Frauen inspiriert habe, ähnlich schwere Routen anzugehen und an sich selbst zu glauben.

Lenas Lieblinge unter den Kletterspots

Frankenjura: Klettergebiet in der Fränkischen Schweiz mit mehr als 10.000 Routen an über 1.000 Massiven und Türmen – eines der am besten erschlossenen Klettergebiete der Welt.
Altmühltal: die Wiege des Sportkletterns: Naturpark nördlich der Donau mit glatten, bis zu 70 Meter hohen Felsen und anspruchsvollen Routen.
Ith: der längste Klippenzug Norddeutschlands zwischen Hameln und Holzminden gilt als beliebter Anfänger- und Kursfels mit kurzen Routen.

#BeatYesterday.org: Wurde es für dich beim Klettern schon mal gefährlich?
Lena: Richtig heftige Unfälle und Verletzungen hatte ich noch nicht. Ich war mal in Jordanien klettern. Da sind im Sandstein zwei Sicherungen rausgerissen, ich landete in einer Felsspalte. Bis auf ein paar blutige Hände ist zum Glück aber nichts Schlimmes passiert.

#BeatYesterday.org: Wie beugst du Stürzen vor?
Lena: Wichtig ist, dass Kletterer ihr Material, das sie in der Route nutzen, akribisch überprüfen. Zum Beispiel, dass die Seile und Umlenker in einem guten Zustand sind. Außerdem ist es unerlässlich, immer mit seinem Sicherungspartner Rücksprache zu halten. Das wird gerade von erfahrenen Kletterern gern mal vernachlässigt. Fehler sind menschlich, aber die können beim Felsklettern fatale Folgen haben.

Lena_Herrmann am Fels
Der Fels birgt auch Gefahren, die selbst erfahrene Kletterer nicht unterschätzen dürfen. © larsscharlphoto

#BeatYesterday.org: Dein großes Vorbild ist dein Vater, der 2016 nach langer, schwerer Krankheit verstarb. Was fehlt dir an ihm am meisten?
Lena: Er ist stetig präsent und fehlt mir sehr. Er hat mich zum Klettern gebracht und ist mit mir zu Wettkämpfen gefahren. Er hat mir die Perspektiven aufgezeigt, was ich alles erreichen kann. Oft wünsche ich mir, ihn um Rat zu fragen, wenn ich mal nicht weiterkomme. Und manchmal stelle ich mir beim Klettern vor, wie er von oben zusieht und meine Leine hält.

#BeatYesterday.org: Wenn du ihm von deinen sportlichen Herausforderungen erzählen würdest, welche wären das?
Lena: An Zielen mangelt es mir nie. Im Frankenjura gibt es nach wie vor viele Routen, die mich reizen. Aber auch im Ausland wie den USA und Italien warten Projekte. Ich will mich weiterentwickeln und beim Klettern weniger stressen. Dann kann ich noch besser werden.

Lenas Lieblinge unter den Boulderhallen

Escaladrome Bloc:werk Hannover: öffnete bereits 2005 als eine der ersten Boulderhallen Deutschlands. Mit 600 Quadrameter Kletterwänden, 6.000 Klettergriffen und 180 Kletterrouten.
Blockhelden Boulderhalle Erlangen: Klettern mit Blick ins Grüne und mit mehr als 200 Bouldern in sieben Schwierigkeitsgraden, die ständig variiert werden.
DAV Kletterzentrum Bayreuth: steilste Halle Frankens mit Wänden von bis zu 90 Grad. Die Routen werden ständig umgeschraubt und bieten Einsteigern wie auch Extremsportlern viel Abwechslung.

#BeatYesterday.org: Seit einigen Jahren bist du Trainerin im Deutschen Alpenverein, Landesverband Nord. Was hat dich dazu bewogen, dein Wissen an den Nachwuchs zu weiterzugeben?
Lena: Ich habe mich schon immer für Trainingslehre interessiert. Der Felskader in Norddeutschland hatte großen Anteil an meiner Entwicklung. Deshalb will ich mein Wissen jetzt an die nächste Generation weitergeben. Bouldern und Klettern sind bei uns noch immer junge Sportarten. Es macht einfach Spaß, diese Entwicklung zu begleiten.

#BeatYesterday.org: Was rätst du jungen Einsteigern: Erst in die Boulderhalle oder gleich ran an die Felswand?
Lena: Das hängt von Kindern und ihrem Umfeld ab. Manche haben Eltern, die bereits am Fels klettern. Dann wird das auch bei ihren Kindern so sein. Andere machen in Boulderhallen ihre ersten Kletterversuche und kommen später in die Leistungsgruppen. Wichtig ist, dass sich Kinder nicht zu früh spezialisieren. Es ist auch förderlich, wenn sie mehrere Sportarten ausüben: Bouldern, Klettern, Speedklettern, Turnen oder Fußball – am besten so vielseitig wie möglich.

#BeatYesterday.org: Wie kommen Freizeitkletterer schnell an ihr Ziel?
Lena: Auch wenn die Antwort unbefriedigend klingt: Du kommst nur durch das Klettern und Bouldern selbst weiter. Wenn Anfänger an einem Boulder scheitern, sollten sie nicht gleich zum nächsten gehen, sondern an ihren Schwächen arbeiten. Gerade die Mädchen haben andere Ressourcen als die Jungs, können bestimmte Stellen viel eleganter und mit weniger Krafteinsatz meistern. Diese ganzen Trainingsgeräte in den Boulderhallen sind noch nicht nötig. Klettern sollte in erster Linie Spaß machen.

5 Kletter-Tipps für Einsteiger

1. Studiere deine Route
Schaue dir die Griffe und Tritte der Route im Vorfeld genau an. Auch während des Aufstiegs solltest du die Situation immer wieder neu bewerten und die nächsten Züge in Gedanken planen. Das spart Kraft und hilft dir, dein Ziel zu erreichen.

2. Achte auf deine Beinarbeit
Technik statt Kraft: Beim Klettern leisten die Beine den größten Teil der Arbeit, die Arme sorgen lediglich für die Balance. Achte immer darauf, die Arme gestreckt und die Knie gebeugt zu halten. Der Körperschwerpunkt sollte in etwa hinter dem Bauchnabel liegen. Die richtige Trittwahl, kombiniert mit der optimalen Körperposition, kann beim Klettern wahre Wunder bewirken.

3. Packe richtig zu
Der richtige Griff ist das A und O. Aus einer überstreckten Position kannst du kaum Kraft aufbauen. Auch Balance und Beinarbeit leiden darunter. Um deine Muskulatur nicht zu schnell zu überfordern, solltest du nicht nur auf Zug greifen, sondern auch stützen und stemmen.

4. Sei schnell, aber gönne dir Pausen
Je schwieriger eine Passage ist, desto schneller sollten Kletterer sie überwinden. Wer einen Griff zu lange hält, verliert unnötig Kraft. Umgekehrt solltest du dir auch Ruhepunkte suchen, um wieder Kraft zu schöpfen und den weiteren Verlauf der Route zu planen.

5. Keine Angst vor Bewertungen
In der Kletterszene werden Routen mithilfe von Schwierigkeitsgraden definiert. In Europa gelten in der Regel zwei Bewertungssysteme: Die französische Fontainebleau-Skala arbeitet mit Zahlen und Buchstaben. Beginnend bei 1 reicht die Bewertung bis zu einer 8c. Das c zeigt Kletterern an, dass die ohnehin schwere Route noch anspruchsvoller ist als die 8er-Route. Das UIAA-Bewertungssystem der Alpinistenvereine weist mit römischer Ziffern und Plus- oder Minuszeichen (zur Auf- oder Abwertung) auf die jeweilige Schwierigkeit hin. Eine Übersicht aller Kletterstufen zeigt der internationale Vergleich des Deutschen Alpenvereins.

Über Lena Herrmann


Lena Herrmann ist eine der erfolgreichsten deutschen Sportkletterinnen. Die Hildesheimerin gehörte bereits mit 14 zum Leistungskader des Deutschen Alpenvereins (DAV). Das Ausnahmetalent wurde 2012 Deutsche Junioren-Meisterin im Bouldern und Seilklettern und errang im Europacup der Junioren weitere Titel und Podestplätze. Krönung war 2015 der Deutsche Meistertitel im Seilklettern, ehe sich Lena stärker dem Felsklettern in der freien Natur zuwandte. Im Frankenjura bewältigte sie 2016 als erste Frau eine der schwierigsten Routen. Lena studiert an der Uni Bayreuth Sportökonomie und ist Leistungssport-Trainerin im DAV Landesverband Nord.

© larsscharlphoto
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