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Lena Haverland: Wie der Wind auch weht

Wechselnde Winde, Wellen und Unwetter prüfen Können und Charakter von Profi-Seglerin Lena Haverland. Welche Eigenschaft auf dem Ozean besonders zählt – ein Porträt.

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Wie eine Planke ragt ihr Oberkörper aus der Jolle. Die Füße der jungen Frau suchen im Boot nach Halt. Eine Hand fasst ein Seil, die andere klammert die Pinne, den Ruderstock. Bereits mit dem Gesäß pendelt Seglerin Lena Haverland über den dahin schwappenden Wellenkämmen. Abenteuerlich sieht das aus. Und anstrengend.

Wer Lena Haverland beim Segeln beobachtet, erkennt rasch, welche Balance- und Kraftakte ihr Sport verlangt. Lenas Körper verrenkt sich andauernd, während das kleine Schiffchen geschwind durch das Wasser gleitet. Nach vorne, nach hinten, nach Steuer- und Backbord – der Körper wird zu einem Gelenk, zu einem Werkzeug. Er ist mal Hebel, mal Ballast, der dorthin bugsiert wird, wo er gerade nötig ist. Segeln ist ein Sport für zähe Menschen. Und Lena Haverland ist eine zähe Frau. Doch reicht das aus, allein stark und robust zu sein? Was braucht es noch an Charakterstärke, um erfolgreich zu segeln?

Lena Haverland muss es wissen. Sie gehört zu den besten Seglerinnen in Deutschland. Fachkundige prophezeien der 25-jährigen Schwerinerin eine erfolgreiche Laufbahn. Längst reifen olympische Träume. „Das wäre ein sehr großes Ding, wenn das klappt. Mit diesem Ziel im Hinterkopf sind so manche Strapazen besser auszuhalten”, sagt Lena.

Starke Beine und starke Arme

Lena ist eine kräftige Frau. Das erkennt jeder, der sie auf dem Laser, so heißt ihre Bootsklasse, herumturnen sieht. Ihr Kreuz spreizt sich breit. Beine und Arme sind sehnig und stark. Lena zeigt Bizeps, davon nicht wenig, und ihre Beine haben lange keinen Leg Day verschmäht. „Beim Segeln sind besonders die Arm- und Beinmuskeln gefordert. Wenn ich mich aus dem Boot rauslehnen muss, sind die Oberschenkel maximal belastet. Und wenn der Wind das Segel richtig packt, wird es für die Arme anstrengend. Gerade das Trimmen, das Ausrichten des Segels, raubt Kraft”, erklärt Lena.

In den Buchten dieser Welt muss sie ausdauernd kräftig sein. Bis zu drei Rennen fahren die Athleten an einem Wettkampftag. 45 bis 60 Minuten dauert ein Törn. Dafür trainiert Lena mehrere Stunden am Tag. Im Kraftraum. Auf der Ostsee, wo das meist zahme Meer ideale Trainingsbedingungen bietet. Oder auf dem Schweriner See, wo der Luftzug – wie auf Binnengewässern üblich – verlässlich seine Richtung wechselt. Drehende Winde sind für Segler am herausforderndsten. Für die Wettkampfvorbereitung ist das vorteilhaft. Die schnellen Richtungswechsel trainieren Körper und Geist.

Lena Haverland trägt ihr Windsurfboard
Lena Haverland packt an und trägt ihr Foiling Windsurfboard ans Wasser. ©Tobias Krüger

Das Spiel mit den Winden

Seit einer halben Ewigkeit stellt sich Lena dem verzwickten Spiel mit den Winden. Mit sechs Jahren saß sie das erste Mal in einer Jolle. So heißen die kleinen weißen Boote, die von Weitem aussehen wie Papierschiffchen. Schon Lenas Vater Torsten war erfolgreicher Segler. Er vererbte der Tochter die Liebe zum Sport, brachte ihr viel bei. Dass es sich lohnt, am Rand von Wolkenfeldern zu fahren, weil da die Winde kräftiger wehen als unter den Himmelhäufchen, hat Lena schon früh von ihrem Vater gelernt.

Das Trainieren habe sie nie genervt, das mache ihr Freude, erzählt Lena. Viel schwieriger sei das mit dem permanenten Essen gewesen. Sie sagt: „Ich brauche für den Sport ein relativ hohes Gewicht. Wir Seglerinnen dürfen nicht zu schwer sein, aber vor allem nicht zu leicht. 68 Kilo gelten als ideal. Dafür muss ich ganz schön viel essen, mir manchmal Shakes reinzwängen.”

Lena Haverland sitzt auf der Jolle auf dem Meer
Boot oder Nussschale? In einer Jolle ist der eigene Körper das wichtigste Werkzeug. ©Tobias Krüger

„Sonst kommt die Übelkeit”

Die Nahrungsaufnahme ist auch aus einem anderen Grund für Lena problematisch. Ausgerechnet die Seglerin, für die der Ozean ein riesiger Rummel ist, ein Spielplatz, wird häufig seekrank. Besonders wenn Flaute herrscht, die Winde plötzlich verschwinden und sie mit dem Boot bräsig im Meer treibt, ist es am schlimmsten. Die seichten Wellen, die gegen die Jolle puckern, schlagen ihr auf den Magen. „Beim Wippen auf dem Wasser wird mir übel. Ich muss mich manchmal über Bord beugen und es einfach rauslassen”, so Lena.

Um gar nicht erst zu seekrank zu werden, helfen ihr oft nur zwei Kniffe: Vor dem Rennen früh genug essen und ausreichend verdauen. Und wenn die Winde auf sich warten lassen, einfach weitermachen auf dem Boot. Bloß nicht abschalten. „Ich teste kleinere Manöver, arbeite an meiner Position. Es gibt immer was zu tun, nur nicht stehen bleiben. Sonst kommt die Übelkeit”, sagt Lena.

Lena Haverland sitzt auf ihrem Windsurfboard und wartet auf Wind
Wenn der Wind nicht wehen will, braucht Lena Haverland Geduld. ©Tobias Krüger

Der Frust der Flaute

Windstille ist der Super-GAU für Segler. An manchen Wettkampftagen warten sie Stunden am Hafen, ehe es überhaupt losgeht. Ohne Knoten kein Davonsausen. Noch unangenehmer ist es, wenn den peitschenden Böen während einer Regatta unvermittelt die Luft ausgeht. „Dann fühle ich mich ausgesetzt auf dem Meer. Warten, warten, warten. Und wenn das Warten sinnlos ist, schleppen uns die Begleitboote ab. Am Seil zu hängen, das ist frustrierend”, erzählt Lena.

Manchmal kann die Flaute binnen weniger Minuten zur Bedrohung anschwellen. Dann nämlich, wenn die Windstille nur die berühmte Ruhe vor dem großen Sturm mimt. Im australischen Melbourne hat Lena genau das erlebt. Die Luftströme über der Port-Phillip-Bucht beschenken die Segler häufig mit kräftigem Anschub. Die Jollen rasen in hoher Geschwindigkeit über das Meer.

Sehr oft bringt der Pazifik aber auch tosende Gewitter. Blitze zucken grell am Himmel, die Donner grollen tief ins Land. „Dann möchte niemand auf einem Boot im Wasser sein. Das ist lebensgefährlich”, so Lena. Als sie während der Olympia-Qualifikation im Januar vor der australischen Metropole segelte und dunkle Wolkenschwaden am Himmel drohten, zog sie ein Motorboot rechtzeitig zurück in den Hafen. Nur Minuten später sah sie Blitze wie gezackte Speere im Meer einschlagen. Genau dort, wo sie kurz zuvor noch herumtrieb.

Lena Haverland auf Windsurfboard (links), Lena Haverland beim Foiling (rechts)
Olympia ist calling? Für Lena Haverland sind die Olympischen Spiele das große Ziel. ©Tobias Krüger

Foiling – Schweben lernen

Trotz der Anstrengungen, des andauernden Wartens und der Gewitter kann Lena nicht genug vom Wellenrauschen auf den Ozeanen bekommen. Sie liebt das Tempo, das sie aufnimmt, sobald der Wind kräftig zustößt und die Nussschalen über die Wogen pustet. Weil die Maximalgeschwindigkeit der Laser relativ früh erschöpft ist, erprobt sich Lena momentan in einer neuen Disziplin, dem sogenannten Foiling.

Beim Foilen schwebt das Windsurfboard über dem Wasser. Der Wind hebt die Sportler in die Luft. Nur die „Stelze” des „Bretts” prescht durch die Wellen. Etwa 2,10 Meter ist ein Foiling-Board lang, knapp über zehn Kilogramm schwer. Ein rasantes Leichtgewicht. Ihre GARMIN Quatix zeigte schon Geschwindigkeiten von über 20 Knoten an. Umgerechnet sind das etwa 36 Kilometer pro Stunde – für Lena ein Adrenalin-Kick. Und womöglich ein neuer Weg, ihren Traum zu erfüllen. Bereits 2024 werden die fliegenden Boards bei den Olympischen Spielen debütieren und über das Mittelmeer vor Marseille zischen.

Bis dahin will Lena hart trainieren, mit Partner und Campingbus die Welt bereisen, die Ozeane erobern und dem „Seekranksein” vollends abschwören. Das alles am besten mit ganz viel Ausdauer. „Auf die kommt es beim Segeln besonders häufig an. Der Mut, die Konzentration und die Lust dürfen einem nie abhandenkommen”, sagt Lena. Wie der Wind auch weht – sie wird nicht verzagen.

Kleines Segellexikon

Jolle: Die traditionelle Bezeichnung für diverse Bootstypen. Sie wird besonders oft für kleine Boote im Ruder- und Segelsport verwendet.

Laser: Eine anspruchsvolle, aber technisch einfach gehaltene Einhand-Jolle. Der Laser gehört zu den am häufigsten genutzten Booten im Segelsport.

Trimmen: Bezeichnet das Einstellen des Segels. Beim Trimmen gilt es, je nach Rennsituation und Regattenziel, das Segel für die wechselnden Windbedingngen auszurichten.

Foiling: Beim Foilen schweben die „Segler” auf einem Windsurfboard. Nur das „Foil”, eine Art ruderförmige Stelze, verbindet das Board mit dem Wasser.

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