Body & Soul

Brustkrebs bei Männern: Wer besonders gefährdet ist

Brustkrebs ist nur eine Frauenkrankheit? Falsch, sagt die Brustkrebsspezialistin Prof. Dr. Vesna Bjelic-Radisic. Wie viele Männer betroffen sind, wer zur Risikogruppe gehört und was über die Prognose entscheidet.

Teilen
0

Da stimmt etwas nicht.

Der Griff an die Brust offenbart eine Ungereimtheit. Ein Knoten ist da, wo kein Knoten hingehört. Panik begehrt auf. Was ist das?

Diesen Moment durchleben jedes Jahr weltweit Millionen Frauen. Pias, Malaikas, Kayas. Aber, was viele nicht wissen, auch Menschen mit männlichen Vornamen.

Eigentlich sollte in diesem Text ein Patient über seine Brustkrebserkrankung sprechen. Doch das hat leider nicht geklappt. Trotz zahlreicher Anfragen gab es ausschließlich Absagen. Alle waren durchweg verständlich. Denn neben den Ängsten um das eigene Überleben fürchten Betroffene ein soziales Stigma.

Genau dieses beschriebene Schamgefühl kann über den Krankheitsverlauf und das Überleben entscheiden. Denn wer trotz klarer Anzeichen keine ärztliche Einschätzung einholt, gefährdet seine Heilungschancen. Ein dringliches Gespräch mit der Brustkrebsspezialistin Prof. Dr. Vesna Bjelic-Radisic.

Prof. Vesna Bjelic-Radisic

Über Prof. Vesna Bjelic-Radisic

Prof. Dr. Med. Vesna Bjelic-Radisic zählt zu den wichtigsten Brustkrebs-Expertinnen in Deutschland. Die Medizinerin ist am Helios Universitätsklinikum in Wuppertal tätig. Zudem lehrt sie als Professorin an der Universität Witten/Herdecke.

#BeatYesterday.org: Frau Prof. Dr. Bjelic-Radisic, die meisten Menschen vermuten, dass Brustkrebs nur bei Frauen auftritt. Sie sagen, dass das falsch ist. Wie viele Männer sind betroffen?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Pro Jahr erkranken etwa 70.000 Frauen und Männer in Deutschland neu an Brustkrebs. Circa ein Prozent der Betroffenen sind männlich. Wir sprechen also von ungefähr 700 neuen Fällen im Jahr.

#BeatYesterday.org: 2020 starben 18.591 Betroffene an einem Mammakarzinom. Wie verläuft Brustkrebs bei Männern?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Die Erkrankung selbst ist – wie bei Frauen – gut therapierbar. Die Prognose ist aber etwas schlechter, weil Männer den Brustkrebs tendenziell zu spät bemerken oder einen Knoten in der Brust lange ignorieren. Deshalb erkennen wir die Krankheit bei Patienten häufiger in fortgeschrittenen Stadien. Auch brechen Männer die Therapie im Vergleich zu Frauen öfter ab.

#BeatYesterday.org: Woran liegt das?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Vielen Patienten ist das Risiko nicht bewusst. Denn aufgrund der geringen Verbreitung der Krankheit wird das Thema Brustkrebs-Vorsorge bei Männern kaum priorisiert. Ein weiterer Aspekt: Betroffene schämen sich für die vermeintlich „weibliche Krankheit”. Auch das verzögert die Diagnose.

#BeatYesterday.org: Welche Symptome weisen bei Männern auf eine Brustkrebserkrankung hin?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Das sind dieselben Anzeichen wie bei Frauen. Es bildet sich ein tastbarer Knoten, der sich nicht verschieben lässt. Oder die Brust rötet sich wie bei einer Entzündung. Schwellungen der Lymphknoten in der Achsel oder am Schlüsselbein kommen vor. Veränderungen der Brustwarze und des Vorhofs sind bemerkbar. In manchen Fällen sondert die Brust ein Sekret ab. Besonders wenn es blutig ist, gilt das als Warnzeichen.

#BeatYesterday.org: Müssen sich Männer speziell abtasten?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Es ist die gleiche Vorgehensweise wie bei Frauen.

#BeatYesterday.org: Menschen, die an Krebs erkranken, fragen nach dem „Warum“. Was steckt hinter dem „Phänomen“ Brustkrebs?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Jede achte bis zehnte Frau erkrankt im Verlauf ihres Lebens an Brustkrebs. Dabei sind 10 bis 15 Prozent aller Brustkrebsfälle auf die familiäre Belastung zurückzuführen. Wir sprechen von einer genetischen Prädisposition, einer Mutation des Gens BRCA ½. Alle anderen Fälle gehören zu den Gruppen des „Sporadischen Brustkrebs“. Erkrankte Männer kommen jedoch in den meisten Fällen aus Familien mit einer genetischen Prädisposition.

#BeatYesterday.org: Was leiten Sie als Brustkrebsspezialistin aus diesen Erkenntnissen ab?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Bei sehr hoher Prävalenz – dem familiären Vorkommen der Mutation – sollte allen Männern unabhängig vom Alter eine genetische Beratung angeboten werden.

#BeatYesterday.org: Wie läuft so eine Beratung ab?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Wenn eine genetische Veranlagung, beziehungsweise eine familiäre Belastung vermutet wird, gilt für Männer die gleiche Vorgehensweise wie bei Frauen. Vor einer genetischen Testung erfolgt ein ausführliches Gespräch. Bestätigt sich der Verdacht, erfolgt die Blutuntersuchung. Durch sie wird im Labor festgestellt, ob die Person das bestimmte Mutation des Gens trägt.

#BeatYesterday.org: Solche Testungen sind normalerweise teuer. Wer übernimmt die Kosten?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Dort, wo ein belastbarer Verdacht besteht, werden anhand der geltenden Leitlinien die Kosten von Krankenkassen übernommen.

#BeatYesterday.org: Können Männer ohne genetische Veranlagung an Brustkrebs erkranken?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Natürlich können Männer genauso am „Sporadischen Brustkrebs“ erkranken. Wobei: Auch dort, wo keine anderen Fälle in der Familie bekannt sind, liegt in 11 Prozent dieser Einzelfälle die typische genetische Mutation vor.

© iStock / Getty Images Plus / gorodenkoff

#BeatYesterday.org: Manche Gruppen sind für gewisse Krebserkrankungen gefährdeter als andere. Dazu gibt es Gewohnheiten, die im Alltag die Krebswahrscheinlichkeit steigern.

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Neben der genetischen Prädisposition gelten für Männer dieselben allgemeinen Risikofaktoren wie bei Frauen. Rauchen, Alkoholkonsum, Übergewicht. Bei Männern erhöht eine Verschiebung im hormonellen Haushalt zusätzlich die Krebsgefahr. Sie produzieren dann neben den männlichen auch in kleinen Mengen weibliche Hormone. Außerdem erhöhen Schilddrüsenerkrankungen oder Diabetes das Risiko.

#BeatYesterday.org: Mit dem Älterwerden steigt bekanntlich die Wahrscheinlichkeit eines Krebsausbruches. In welchen Jahren erkranken Frauen besonders häufig an Brustkrebs– und wann Männer?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Patientinnen meistens in der Spanne zwischen 50 und 70 Jahren. Bekannt ist, dass Männer zum Zeitpunkt der Erkrankung im Durchschnitt älter als Frauen sind.

#BeatYesterday.org: Nun gibt es in der Krebstherapie zahlreiche Behandlungsansätze. Die Erfolge häufen sich. Wie werden betroffene Männer versorgt?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Die Methoden, die wir bei erkrankten Frauen einsetzen, extrapolieren („übertragen“ Anm. d. Red.) wir abhängig von der Tumorart auf die Männer. Aufgrund der geringen Fallzahlen übernehmen wir auch die Daten aus der Behandlung der Frauen.

#BeatYesterday.org: Was ist bezüglich der Überlebensprognose die wichtigste Variable?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Wie bei allen Krebsarten ist das die frühestmögliche Erkennung. Deshalb sollte das Thema Brustkrebs mehr Männer erreichen. Sie müssen sensibilisiert sein, dass dies keine Krankheit ist, die nur Frauen betrifft. Dafür müssen wir dieses Phänomen enttabuisieren. Nur dann können Betroffene unbegründete Schamgefühle abbauen und zeitnaher ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt aufsuchen. Diese sollten genauso sensibilisiert sein, dass Brustkrebs bei Männern auftreten kann. Bei unklaren Befunden in der Brust sollten sie eine weitere Abklärung veranlassen.

#BeatYesterday.org: Angenommen, ein Mann entdeckt von selbst einen verdächtigen Knoten. Wo meldet er sich?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: In der gewohnten Praxis. Die meisten Zuweisungen von Männern erhalten wir durch aufmerksame Hausärztinnen und -ärzte. Die Behandlung der Männer sollte dann in den zertifizierten Brustkrebszentren erfolgen. Dort ist die beste Brustkrebs-Expertise vorhanden.

#BeatYesterday.org: Wie sind Ärztinnen und Ärzte auf männliche Brustkrebspatienten vorbereitet?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Sehr gut. Es gibt Leitlinien, die weltweit die Diagnostik und Therapie bei Männern mit Brustkrebs klar definieren. Wir können Betroffene gut versorgen.

#BeatYesterday.org: Zum Abschluss: Was ist Ihnen beim Thema Brustkrebs bei Männern besonders wichtig?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: In der Krebsmedizin streben wir nicht nur eine längere Überlebenszeit an. Für uns ist genauso die Lebensqualität während und nach der Erkrankung extrem bedeutsam. Der Einfluss des Brustkrebses auf die Bedürfnisse der Frauen ist mittlerweile in vielen Studien berücksichtigt worden. Dementsprechend verfügen wir über genügend Informationen. Mit diesem Wissen können wir Erkrankte nach der Diagnose unterstützen. Für Männer sind die Daten noch immer unzureichend. Aber es ändert sich etwas. Vor Kurzem habe ich von der European Organisation for Research and Treatment of Cancer den Auftrag bekommen, ein Instrument für die Erfassung der Lebensqualität bei Männern mit Brustkrebs zu entwickeln.

#BeatYesterday.org: Wann sind die ersten Erkenntnisse erwartbar?

Prof. Vesna Bjelic-Radisic: Die erste Phase ist fast abgeschlossen und in der nächsten Zeit werden wir spezifische Informationen zur Lebensqualität erhalten. Durch diese können wir erkrankte Männer besser begleiten.

Hilfe für betroffene Männer

Du hast etwas Ungewöhnliches an oder in deiner Brust entdeckt? Du kennst familiäre Auffälligkeiten? Eventuell wirst du dich vor dem Besuch bei der Hausärztin oder dem Hausarzt ängstigen. Unterstützung findest du in speziellen Netzwerken. Dazu gehört die Organisation Pink Ribbon in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Oder der Verein „Männer mit Brustkrebs”.

Was dich sonst noch vorwärts bringt

Venu 2 Plus – Die Smartwatch für deinen aktiven Lebensstil.

Genieße den neuen Komfort mit Bluetooth Telefonie und Sprachassistenz direkt über deine Uhr. Nimm Gespräche direkt über die Uhr an, antworte sofort auf Textnachrichten oder steuere deine Smart Home Geräte. Mit über 25 Sport-Apps, animierten Workouts und innovativen Fitness- & Gesundheitsfunktionen eröffnet dir die Venu 2 Plus ganz neue Möglichkeiten. Mit mehr Power rund um die Uhr bei einer Akkulaufzeit von bis zu 9 Tagen. Entdecke echten Lifestyle: Kontaktloses Bezahlen, deine offline Playlisten immer dabei und stets in Kontakt mit deinen Freunden.

Weitere Themen
Meinungen

Diskutiere über diesen Artikel und schreibe den ersten Kommentar:

Jetzt mitdiskutieren
Keine Kommentare

Diskutiere über diesen Artikel