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Wandern vs. Mountainbiken: Krieg und Frieden

Wandernde und Mountainbiker*innen geraten in der Natur häufig aneinander, manchmal fliegen sogar Fäuste. Wie sich Konflikte schlichten und verhindern ließen, verraten vier Expert*innen.

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Bremsen quietschen, Äste knacken, die Erde knirscht unter hektischen Sohlen. Wortsalven hallen durch den Wald. Dort, wo eigentlich alles friedlich ist, wo Vögel zwitschern, Wiesel um den Wertholzhaufen hetzen, ab und zu ein Hirsch röhrt, im Paradies also, herrscht manchmal Krieg. Die Konfliktparteien? Wandernde und Mountainbiker*innen. Und manchmal sogar Dritte. 

Die einen zürnen über rücksichtslose Raserei, die anderen über den Starrsinn. Einige noch nicht ergraute Schlagzeilen aus Boulevard und Lokalzeitung, keine drei Jahre alt: Unachtsame Radfahrer*innen verursachen Steinschlag. Mountainbiker schlägt Naturschutzbeauftragten nieder. Oder andersrum: Wanderer holt Biker vom Sattel. Zwei Nagelfallen auf Trail entdeckt: Lebensgefahr! Besonders obskur: Traktorfahrer jagt Biker. Der Tegernsee, das Salzkammergut oder Graubünden – plötzlich Risikogebiete für Anschläge und Verfolgungsjagden. Heidewitzka.

Je voller der Berg, desto kürzer die Lunte – seit einigen Jahren scheint diese Gleichung auf Wanderwegen zu gelten. Berichte über Beinahekollisionen und Ausweichmanöver auf schmalen Pfaden in Schrundnähe häufen sich. Verbände appellieren für mehr gegenseitige Rücksicht. Lokalpolitiker*innen schlichten, erfahrene Sportler*innen mahnen. Sie alle wollen die Lage befrieden. Jetzt, wo der letzte Schnee schmilzt, erste Knospen die Baumkronen säumen und die Frühlingssonne wärmt, die Menschen immer noch zumeist im eigenen Zuhause festsitzen, beginnt die Hauptsaison für Freiluftsportler*innen. Der Wald füllt sich. Droht bald neuer Ärger?

Vier Expert*innen berichten über einen schwelenden Konflikt zwischen Wandernden sowie Mountainbiker*innen und verraten, wie sich unliebsame Zusammenstöße vermeiden lassen.

Der Schnellere muss Rücksicht nehmen

von Nino Schurter, Mountainbike-Olympiasieger aus der Schweiz

Ich lebe in einem Kanton, in dem sich die Verantwortlichen sehr für alle Betroffenen engagieren. Sie kommunizieren, wie wichtig gegenseitige Rücksichtnahme ist. Außerdem sind die Wege bei uns gut ausgeschildert. Überall gibt es deutliche Hinweise, dass mehrere Gruppen einen Pfad auf unterschiedliche Art und Weise nutzen. So ist niemand überrascht, wenn man auf halber Strecke plötzlich Wandernden, Läufer*innen oder Radfahrer*innen begegnet. 

Als Mountainbiker habe ich während meiner Ausfahrten Situationen erlebt, die etwas angespannt waren. Zum Haareraufen war aber bisher nichts dabei. Alles eher harmlos. 

Mir ist bewusst, dass ich als besonders schneller Trailnutzer noch achtsamer sein muss als meine Mitmenschen. Ich habe mir daher einige Verhaltensweisen angewöhnt. Ich mache mich so frühzeitig wie möglich bemerkbar, wenn ich Passant*innen auf der Strecke sehe und nicht erst unmittelbar vor dem Überholvorgang. Machen mir Wandernden auf einem schmalen Pfad den Weg frei, reduziere ich merklich die Geschwindigkeit. Für viele Fußgänger*innen ist es unangenehm, wenn man im vollen Tempo vorbeirauscht. Sind die Wege breit genug, sodass ich problemlos und mit Abstand vorbeiziehen kann, kündige ich mich trotzdem vorher an. Als Mountainbiker muss ich dafür sorgen, dass ich mit meinem Tempo niemanden überrasche oder verängstige. Denn erst in diesen Situationen entsteht oft Stress. 

Generell kann ich anderen Mountainbiker*innen nur empfehlen, hochfrequentierten Trails auszuweichen. Sind viele Menschen unterwegs, sinkt automatisch das Trainingsvergnügen und parallel steigt das Unfallrisiko. Gebiete, die Wandernden und Läufer*innen eher meiden, sind dann die schlauere Alternative.

Ingmar Hötschel steht neben seinem Mountainbike
Ingmar Hötschel versteht die Probleme von Wandernden und Mountainbiker*innen, weil er beide Bewegungsformen schätzt. © DIMB

Exklusive Angebote schaffen für alle mehr Raum

von Ingmar Hötschel, Leiter Kommunikation der Deutschen Initiative Mountainbike (DIMB)

Ich erlebte einmal eine merkwürdige Situation: Ich fuhr einen breiten Waldweg entlang, der Boden war fest, ich konnte also fahren, ohne Spuren zu hinterlassen. Die Strecke war ausdrücklich für Mountainbiker*innen freigegeben. Ich kam an einem älteren Herrn vorbei, der einen besonders stolzen Baum musterte, und reduzierte die Geschwindigkeit. Der Mann fragte mich, ob das richtig sei, dass ich hier fahre. Dass ich den Wald verschandeln könnte. Ich konnte dann ruhig erklären, dass mich die Unversehrtheit der Natur genauso interessieren würde wie ihn. Damit war das geklärt. Miteinander zu sprechen, ist extrem wichtig.

Vorfälle auf den Strecken gibt es leider immer wieder. Jüngst stieg die Anzahl. Wobei das absolute Werte sind. Denn es waren nie so viele Menschen in der Natur unterwegs wie jetzt gerade im Lockdown. Ein detaillierter Blick in die Statistiken verrät: Die Zahlen steigen zwar, aber das nicht proportional. Obwohl es durch die höher frequentierten Gebiete mehr negative Zusammenstöße geben müsste, sinken die relativen Zahlen.

Was interessant ist: Alle betroffenen Verbände haben in den vergangenen Jahren intensive Studien durchgeführt. Alle Initiativen kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Etwas weniger als zehn Prozent der Menschen haben negative Vorfälle mit anderen Gruppen erlebt. Die überwältigende Mehrheit nicht. Ich denke, dass der Ärger nicht aus grundsätzlichen Reibungspunkten zwischen den Aktivitätsarten entsteht, sondern manche Menschen sich eben generell streitlustiger und in allen Lebenslagen rücksichtsloser verhalten. In der Warteschlange an der Supermarktkasse genauso wie auf dem Trail.

Um die Lage weiter zu entspannen, gibt es für uns zwei gute Werkzeuge:

1. Verhaltensregeln noch besser kommunizieren. Ein besseres Bewusstsein dafür schaffen, wie einfach es ist, den anderen mehr Rücksicht zu zeigen.

2. Mehr spezielle Angebote für Mountainbiker*innen schaffen. Ich bin ein großer Fan davon, dass jeder Weg von jedem Menschen genutzt werden darf; dass das freie Betretungsrecht aus dem Bundeswaldgesetz in allen Bundesländern uneingeschränkt gilt. Es zeigt sich aber, dass es für alle Beteiligten Platz schafft, also die Lage entzerrt, wenn jede Gruppe auch exklusive Angebote nutzen kann. Da haben viele Kommunen besonders im Mountainbike-Bereich noch Nachbesserungsbedarf.

Pressesprecherin des Tourismusverband Oberbayern München Cindy Peplinski
Der Tourismusverband Oberbayern München möchte die Einheimischen rechtzeitig einbeziehen, wie Pressesprecherin Cindy Peplinski sagt. © TOM e.V.

Den Dialog mit Einheimischen suchen

von Cindy Peplinski, Pressesprecherin des Tourismusverbandes Oberbayern München

Der Andrang auf die Wander- und Mountainbike-Gebiete brach im vergangenen Jahr alle Rekorde. Mancherorts wurde anhand von Messgeräten eine doppelt so hohe Auslastung wie in den Vorjahren registriert. 2020 hat uns gezeigt, dass der Aktiv- und Outdoortourismus boomt. Auch in Zukunft werden noch mehr Mountainbiker*innen die bayerischen Destinationen erleben wollen. Doch der erhöhte Zustrom an Besucher*innen bedarf eines strategischen Lenkungskonzepts. Ansonsten steigt das Konfliktpotenzial zwischen den Wandernden, Mountainbiker*innen, der Forstwirtschaft und Anwohner*innen sowie der allgemeine Nutzungsdruck auf die Erholungsgebiete.

Umso wichtiger war es für den Tourismusverband Oberbayern München (TOM), frühzeitig die Kampagne Fair Bike zu platzieren. Mit unserem Aufruf wollten wir nicht nur die Mountainbiker*innen, sondern auch die Einheimischen erreichen und in die Diskussionen einbeziehen. Der Tourismus lebt von einem fairen Umgang miteinander. Daher das Motto „Mitnand – Hand in Hand“, der auf den Plakaten, Aufklebern und Notfallkarten zu finden ist. Die Printprodukte wurden in zwölf Destinationen an Fahrradhändler*innen, Gastgeber*innen und Gastronom*innen sowie Hütten und Almen verteilt. Damit setzen sich der TOM und die an der Kampagne teilnehmenden Destinationen für mehr Wertschätzung und Rücksichtnahme ein. Am Ende ist es wichtig, dass Regeln überall bekannt sind, damit sie von allen Beteiligten für ein gutes Miteinander eingehalten werden können.

Durch den Dialog, der auch durch unsere „oberbayerische” Kampagnensprache mit den Einheimischen entstanden ist, konnten wir bereits einige Biker*innen und Bürger*innen erreichen, Konfliktpunkte aufgreifen und diskutieren. Nichts zu tun oder zu warten, bis ein Mountainbike-Streckennetz etabliert wird, kam für den TOM nicht infrage. Der Verein setzt auf ein gemeinschaftliches Vorgehen in der Kommunikation sowie Aufklärung und appelliert mit den 15 bayerischen Regeln für einen freundlichen, respektvollen und nachhaltigen Umgang mit Wanderden, der Natur und denjenigen, die dort arbeiten.

Erik Neumeyer
Erik Neumeyer, Vizepräsident des Deutschen Wanderverbandes, sieht jede:n Sportler*in in der Natur in der Pflicht. © Erik Neumeyer

Erfahrene tragen eine besondere Verantwortung

Erik Neumeyer, Vizepräsident des Deutschen Wanderverbandes

An belebten Locations ist die Nachfrage nach Freiraum in der Natur deutlich größer als die verfügbaren Angebote. Der Bedarf ist – verstärkt durch die Pandemie – deutlich gestiegen und größer als je zuvor. Es kann mancherorts eng werden im Wald und auf den Wegen. Dass es vereinzelt Konflikte gibt, ist Folge des enormen Nutzerdrucks. Einzelne Nutzergruppen möchte ich nicht hervorheben. Diese Streitereien sind meist nur an wenigen beliebten Punkten zu beobachten. In der Fläche läuft es größtenteils konfliktfrei ab. Durch gezielte Besucherlenkung oder durch einen Ausbau von Outdoorangeboten können wir sogenannte Hotspots entschärfen.

Allerdings haben wir den Eindruck, dass die größten Vorbehalte gar nicht zwischen einzelnen Nutzergruppen bestehen, sondern zwischen den erfahrenen Naturbegeher*innen und den Einsteiger*innen. Besonders Personen, die bisher sehr selten in die Natur strebten, haben sich häufig noch nicht mit allen Regeln und Riten vertraut gemacht. Sie sind weniger orientierungssicher und vertrauen unreflektiert auf Suchmachschienenergebnisse, Influencer*innen und Community-Apps. Wer zu welcher Gruppe gehört, lässt sich beim Wandern schon daran erkennen, dass die Erfahrenen grüßen und die meisten Neuen das seltener tun.

Selbstverständlich sollten sich alle in der Natur mit den Regeln im Gebiet oder auf dem Trail beschäftigen. Sie müssen verstehen, dass jede*r diesen Raum unter gewissen Bedingungen nutzen darf und gegenseitige Rücksichtnahme zum guten Miteinander gehört. Zugleich weiß ich, wie komplex manche Fragen des Umgangs sind. Ob Mountainbiker vor dem Überholen lieber rufen oder klingeln sollen, ist beispielsweise strittig. Im Zweifel ist Absteigen eine gute Alternative.

Generell sehe ich besonders die Erfahrenen in der Pflicht. Wer sich orientieren kann und sich in der „wilden“ Natur zurechtfindet, sollte zu begehrten Zeiten alternative Routen wählen und so für eine Entspannung der Raumkonkurrenz sorgen. An manchen Tagen, gerade zu Ostern und zu Pfingsten, sind die beliebtesten Wege überfüllt. Eben weil Einsteiger*innen oft gleich die erste Strecke nehmen, die Google ihnen anzeigt. Das ist normal und überhaupt nicht verwerflich. Wer also sein Stresslevel verringern will und es selbst ruhiger haben möchte, egal ob zu Fuß oder auf dem Rad, greift neben der App oder Suchmaschine auch zur guten alten Papierkarte.

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Hast du schon Streit und Zank auf Wanderwegen erlebt? Hast du positive Erfahrungen gemacht? Und was wäre deine Lösung für mehr Glück und Harmonie auf Wanderwegen oder Trails? Schreib uns einen Kommentar unter diesem Artikel.

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