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Laufen und Umweltschutz: Sieben Storys auf sieben Kontinenten

Friedhelm Weidemann ist auf allen Kontinenten Marathons und Ultra-Rennen gelaufen. Dabei lernte er viel über Umweltschutz und die Naturgewalten. Sieben Kontinente, sieben Storys.

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Er ist wie Forrest Gump. Er läuft und läuft und läuft. Seit 35 Jahren erkundet Friedhelm Weidemann auf seinen Beinen die Gebirge, Wüsten, Urwälder und Großstadtdschungel dieser Welt. Der 61-Jährige ist 305 Marathons oder Ultra-Distanzen gelaufen, hat auf jedem Kontinent mindestens einmal die eigenen Grenzen ausgelotet. Manchmal braucht Friedhelm Weidemann nicht mal festen Boden unter den Füßen, um viele Kilometer zu rennen. Auf der Queen Elizabeth 2 finishte er mitten auf dem welligen Atlantik einen Marathon. 138-mal umkurvte er das Deck. Damals ein Weltrekord für das Guinness Buch. Den Versuch, das in einem Flugzeug nachzumachen, wollte ihm bislang keine Airline erlauben. Aufgegeben hat Friedhelm Weidemann diesen Plan noch nicht.

Der Niedersachse läuft nicht nur stoisch durch die Welt und übers Wasser. Er will auch ihre Schönheit bewahren. Weidemann wirbt durch seine Rennen und Aktionen für mehr Umweltschutz in den entlegenen Winkeln des Planeten. Auf #BeatYesterday.org erzählt er zu jedem Kontinent eine Story über die geballte Kraft der Natur, die Liebe zu seinem Sport und wie Läufer die Umwelt schonen können.

Die Protokolle von Friedhelm Weidemann:

Antarktis: Pinkelverbot am Südpol

Am schönsten ist die Stille. Kein Mucks, überall nur weiße, menschenleere Wüste. Der Schnee knirscht unter den Sohlen. Beim Marathon in der Antarktis ist man allein mit sich und einer Welt aus Eis. Nur etwa 50 Teilnehmer laufen über das Plateau des Ellsworthgebirges. Der Schweiß, der sich in den Schuhen sammelt, friert zu einer zarten Eisschicht. Schwitzende Füße, ummantelt von Eis: Dieses Gefühl gibt es nur in arktischen Gefilden.

Ich habe selten an einem Rennen teilgenommen, bei dem Sauberkeit und Nachhaltigkeit so wichtig sind. Alles, was mit der russischen Militärmaschine von Chile aus ins Camp geflogen wird, nehmen die Verantwortlichen wieder mit aufs Festland. Kein Zigarettenstummel bleibt zurück. Da zum Duschen Schmelzwasser benutzt wird, ist beim antarktischen Marathon sogar die Duschzeit für die Teilnehmer rationiert. Sechs Liter Wasser hat jeder zur Verfügung. Das ist nicht viel, aber ausreichend.

Während des Rennens wurden wir Läufer darum gebeten, nicht am Streckenrand pinkeln zu gehen, die Natur soll so unberührt bleiben wie möglich. Anders als bei anderen Events gibt es in Antarktis keine Dixi-Klos. Da wir die Marathondistanz auf einer Doppelrunde absolvieren, heißt es 21 Kilometer lang jedes kleine Bedürfnis zurückzuhalten. Und tatsächlich war nirgends eine gelbliche Spur im Schnee zu erkennen. Jeder nutzte brav die Toiletten im Camp. Am Ende der Welt klappt das sogar bei uns Männern.

Die Antarktis schreibt so manche schöne Geschichte. Vor ein paar Jahren waren reiche Geschäftsleute in das Camp gereist. Sie wollten ihr Image als hartgesottene Kerle polieren. Als sich durch eine veränderte Wetterlage der Rückflug verzögerte, versuchte die elitäre Gruppe, die militärischen Spezialeinheiten ihres Heimatlandes für die Abholung zu engagieren. Doch wenn die Russen wetterbedingt nicht fliegen, fliegt niemand. In der Antarktis nützt dir kein Geld der Welt etwas. Vor den Naturgesetzen sind alle gleich.

Friedhelm Weidemann in der Antarktis
100 Dollar kostet beim Rennen in der Antarktis alleine der Transport einer Sektflasche. © privat

Nordamerika: Das Badwater-Ultra-Rennen

Die beeindruckende wie zerstörerische Kraft der Natur spürt man beim Badwater Race in den USA. Badwater ist der tiefste Punkt der USA. 85 Meter unter dem Meeresspiegel, gelegen im Death Valley. Nirgendwo in den USA ist es trockener als hier in der Mojave Wüste. Die Hitze flirrt. 50 Grad und mehr. Von Badwater geht es zum Mount Whitney, dem höchsten Berg innerhalb des amerikanischen Festlands. 4.421 Meter ragt der Gipfel in den Himmel Kaliforniens. 135 Meilen braucht man von Badwater bis zum Ziel, das sind über 217 Kilometer. Nur 60 Stunden haben die Läufer für diese Strecke Zeit. Vielleicht gibt es auf diesem Planeten kein härteres Laufevent.

Sogar die Begleiter, die einen mit dem Auto verfolgen, kollabieren regelmäßig. Da die Wagen sehr langsam fahren müssen, um die Läufer zu begleiten, bleibt die Klimaanlage ausgeschaltet. Der Motor würde ansonsten die Belastungen nicht überleben. Jede Autopanne im Death Valley könnte theoretisch die letzte sein. In der Mojave Wüste ist das Sitzen im Auto Extremsport. Manchmal kommen die Läufer besser durch die Hitze als ihre Helfer.

Ohne die Hilfe der Begleiter wäre so ein Rennen nicht zu meistern. Mehrmals pro Stunde legten sie mir ein nasses Handtuch auf den Kopf. 150 Liter Trinkwasser hatten wir für die Rennzeit eingeplant. Damit es etwas “kühler” ist, lief ich auf den weißen oder gelben Seitenstreifen, die nicht so viel Hitze speichern wie die geteerte Straße. Trotzdem schmolzen meine Sohlen an. Das Death Valley zeigt die gnadenlose Kraft der Naturgewalten.

Friedhelm Weidemann schüttet sich während des Badwater-Ultrarennen Wasser ins Gesicht, um seinen Kopf zu kühlen.
Notwendige Wasserdusche. Ohne kühlen Kopf hätte Weidemann so manches Rennen nicht überstanden. © privat

Afrika: Strafzeit bei Umweltsünden

Durch die Wüste geht es auch in Marokko beim berühmten „Marathon des Sables“. Der Wind, der über die Dünen der Sahara faucht, verbrennt einem das Gesicht. Wer es sich nicht vorstellen vermag, muss nur einen Fön auf die stärkste Stufe stellen und sich die heiße Luft ins Gesicht pusten. Und das nicht für eine Minute, sondern für ein paar Stunden!

Das Besondere an diesem Ultra-Rennen in Nordafrika sind die kreativen Methoden, mit denen die Veranstalter unnötigen Müll vermeiden. Auf den Etappen muss sich jeder Läufer selbst versorgen. Wir essen hochkalorische Trockennahrung, die mit Wasser aufgegossen wird. Alles Nötige transportieren wir in einem Rucksack, den wir auf der Laufstrecke tragen. Das sorgt dafür, dass jeder nur wenige Lebensmitteln und damit auch wenig Verpackungsmüll dabei hat.

Alle paar Kilometer werden wir mit 1,5 Liter Wasserflaschen versorgt. Auf den Flaschen und den Deckeln steht unsere Startnummer. So können weggeworfene Flaschen und am Streckenrand entsorgte Deckel den Läufern zugeordnet werden. Wer erwischt wird, bekommt eine saftige Strafzeit. Diese Maßnahmen sensibilisieren jeden Teilnehmer.

Südamerika: Plogging im Amazonas

Ich komme mit Kälte klar. Ich komme mit Hitze klar. Aber wenn die Luft gleichzeitig heiß und feucht ist, dann wird mir schummrig. Im Dschungel des Amazonas-Regenwaldes brach ich zusammen. Ich war ohnmächtig. Wie lange genau, weiß ich nicht. Ein Arzt sagte mir, dass ich großes Glück habe, dass ich noch lebe.

Für eine Etappe wurde ich nach meinem Kollaps aus dem Rennen genommen. Ich hatte Zeit, spazierte in die Natur. Wie mächtig dieser Regenwald ist, unser aller Lunge! Der Rio Tapajos, ein Nebenarm des Amazonas-Stroms, ist an manchen Stellen 20 Kilometer breit. Ich stand an seinem Ufer, und das vor mir war kein Fluss, sondern eher ein Meer. Beeindruckend und zugleich tragisch. Überall im Wald lag Müll verstreut. Flaschen, Tüten, alles, was man sich so vorstellen kann. Haufenweise. Ich habe mir einen Müllsack geschnappt und ein bisschen gesammelt. “Plogging” nennen das die Menschen in den Großstädten.

Die Leute im Dorf, bei denen ich den Sack abgab, waren total begeistert. Jemand, der in den Wald läuft und Müll sammelt, ihn nicht hineinträgt – für sie war das etwas Unbekanntes. Ich denke: Wenn jeder Mensch ein bisschen Müll sammeln würde, nur eine Tüte, und das nichts Besonderes mehr ist – dann wäre nicht nur Brasilien, sondern die ganze Welt ein etwas sauberer und besserer Ort.

Friedhelm Weidemann läuft nachts in der Wüste in Afrika
Drohte tagsüber die Hitze, verwandelt sich die Wüste nachts in einen Kühlschrank. © privat

Australien: Hindernisparcours gegen Querfeldeinfahrer

Bäume sind stark. Wie stark, das habe ich erst vor wenigen Wochen in Australien gesehen. In einem Mammutbaumwald im Südwesten des Landes stehen Bäume, die vor 20 Jahren einen Waldbrand überlebt haben. Die Rinden sind pechschwarz, doch die Baumkronen tragen wieder üppiges Grün. Das Feuer konnte diesen dicken Panzern aus Rinde und Harz nichts anhaben.

Die Reise durch Australien bot trotzdem viele tragische Bilder. Ganze Landstriche sind verkohlt. 20 Kilometer, alles versengt, alles schwarz. Wo vorher meterhoch Busch stand, ist jetzt nichts mehr. Kein Halm sprießt aus der verbrannten Erde.

Ich bin optimistisch, dass die Australier dieses Land wieder aufbauen können. Die Menschen dort sind sehr kreativ. Wenn Rancher ihre Wälder vor Offroad-Fahrzeugen schützen wollen, blockieren sie mit geschlagenen Bäumen die Waldwege. Oder sie versperren potenzielle Strecken für Motorräder oder Geländewagen mit neu gepflanzten Bäumen. Für Läufer im australischen Outback sind diese Hindernisse neben der hohen Temperaturen eine echte Herausforderung.

Asien: Laufen auf der Chinesischen Mauer

Die Chinesische Mauer ist für jeden ein Erlebnis. Das größte Bauwerk der Welt wurde entlang von Berghängen errichtet. Für Läufer bietet sie ein unbequemes Terrain. Es geht auf und ab, Rampe reiht sich an Rampe. Manche Stufen sind zehn Zentimeter hoch, andere mindestens einen halben Meter. Diese Mauer kennt kein Einheitsmaß.

Wenn die Strecke zu steil wird, rennen viele Läufer in Schlangenlinien. Das reduziert die Steigung für den Moment. Ich hatte Glück, dass ich dieses Rennen nicht unvorbereitet absolvieren musste. Seitdem ich die 1.450 Stufen des Empire States Buildings in 14 Minuten erklommen habe, komme ich mit Stufen ganz gut klar.

Als ich damals nach China reiste, erlebte ich zunächst ein ziemlich vermülltes Land. Überall lag Unrat herum. Doch auf der Mauer wurde bei unserem Marathon jeder Trinkbecher, der auf den Boden fiel, sofort eingesammelt. Um die Mauer herum bemühten sich die Menschen im Land sehr um Sauberkeit und Umweltschutz. Ein Anfang.

China ist ein gutes Beispiel für die Wandlung, die ich in den vergangenen 35 Jahren erleben durfte: Immer mehr Menschen denken über das nach, was sie in der Umwelt tun. Veranstalter und Läufer gehen sorgsamer mit den Orten um, an denen sie Lauffeste feiern. Wir verstehen spät, aber vielleicht noch rechtzeitig, wie kostbar unsere Welt ist. Unbezahlbar und unaustauschbar. Die Entwicklungen in den vergangenen Jahrzehnten, die in den fernen Nischen unserer Welt geschehen, machen mich zuversichtlich, dass wir noch etwas verändern werden.

Friedhelm Weidemann in den Bergen auf der Insel La Reunion im indischen Ozean.
Friedhelm Weidemann auf der Insel La Reunion im Indischen Ozean. © privat

Heidemarathon: Auf Streife gegen Müll

Seit fast 30 Jahren veranstalte ich in meiner Heimatstadt Stüde, gelegen in der Lüneburger Heide, einen eigenen Marathon. Wir laufen durch eine unberührte Landschaft, direkt am Elbe-Seitenkanal entlang. Nur Rettungskräfte und Versorgungsfahrzeuge dürfen mit ihren Autos in die Nähe der abgesperrten Strecke kommen. Der Umwelt zuliebe begrenzen wir das Teilnehmerfeld auf 200 Läufer.

Nach dem Rennen durchstreifen wir mit vielen Helfern die Strecke. Jedes Stück Papier, jeder Becher, alles, was nicht in die Heide gehört, lesen wir auf und entsorgen es ordnungsgemäß. Das ist die Bedingung, dass wir in diesem geschützten Gebiet rennen dürfen. Seit 30 Jahren halten wir unser Versprechen.

Einmal haben wir es mit unserem Lauf sogar nach Übersee geschafft. Über unser Stüde wurde in den USA berichtet, weil wir den einzigen Marathon der Welt veranstalteten, der vom 31. Dezember 1999 bis zum 1. Januar 2000 stattfand. Ein Millenniums-Lauf. Wir liefen kurz vor Mitternacht los und kamen mit dem neuen Jahrtausend im Ziel an. Mit Stirnlampen zogen wir durch eine sternenklare Nacht. Lauter Glühwürmchen in einem Winterland.

Friedhelm Weidemann steht mit seinem Sohn am Strand und hält Medaillen in die Kamera
Vater und Sohn: Friedhelm und Nick Wiedemann erobern sportlich die Welt. © privat

Beim Marathon in der Heide kommt vieles zusammen, was mir wichtig ist: der Spaß am Laufen. Die tolle Gemeinschaft. Die Momente in der Natur, die wir wertschätzen und mit Bedacht genießen. Und die Zeit mit der Familie. Meinen Sohn habe ich als Kleinkind zum Laufen in einem Babyjogger mitgenommen. 6.000 Kilometer habe ich den Kleinen durch die Welt geschoben. Heute will er über 6.000 Meter hinauf. Er hat sich die Seven Summits vorgenommen. Ich lief auf allen Kontinenten, er will die höchsten Berge in allen Teilen der Welt erobern, und dabei seine Umwelt mit Respekt behandeln. Wie der Vater, so der Sohn.

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