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100 KM: Wie du für Ultras optimal trainierst

Ultraläufer*innen gelten als verwegen. Doch was einst Nische weniger Extremsportler*innen war, wird heute immer beliebter. Expertin Barbara Mallmann verrät, wie erfahrene Freizeitläufer*innen ihren ersten „Hunderter” packen.

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jede*r kann einen Marathon laufen. Jung oder etwas älter, dünn wie ein Aal oder als runderes Gesamtbild: Jedes Jahr überwinden unzählige Läufer*innen zunächst ihren inneren Schweinehund und dann die geschichtsträchtigste aller Langdistanzen. Auch deshalb, weil der Marathon auf vielen sogenannten Bucket-Listen steht, wollen immer mehr Sportler*innen sich besonders herausfordern. Und das mit einem Ultra.

Der Ultralauf oder auch Ultramarathon ist eine Laufveranstaltung über eine Strecke, die länger als die Distanz von 42,195 Kilometern ist. Die Königsdisziplin unter diesen Wettkämpfen ist der 100-Kilometer-Straßenlauf. Die meisten Ultramarathons sind Landschaftsläufe, die Streckenführung verläuft relativ flach. Es gibt aber auch Wettbewerbe mit mehr als 2.000 Meter Höhendifferenz. Non-Stop-Läufe von über 200 Kilometern gehören zum Repertoire. Das Goldsteig Ultrarace ist mit 661 Kilometer der längste dieser Ultraläufe in Deutschland.

Eine der besten deutschen Athletinnen

Wer sich mit dem Thema Ultralauf beschäftigt, kommt am Namen Barbara Mallmann nicht vorbei. Sie ist eine der profiliertesten Läuferinnen Deutschlands. Ihre persönliche Bestzeit von 2015 über die 100 Kilometer liegt bei 8:25:22 Stunden. Die 50-Jährige machte sich auch einen Namen als Athletensprecherin für das Nationalteam. Ihre eigene Karriere musste die Ultramarathon-Expertin 2018 jedoch wegen einer Knieverletzung vorerst beenden.

Barbara Mallmanns Geschichte ist auch deshalb bewundernswert, weil sie seit ihrem 18. Lebensjahr an Asthma leidet, im Jahr 2000 aber trotzdem mit dem Sport begann. Durch das konsequente Laufen muss sie heute keine Medikamente mehr nehmen. Im Hauptberuf leitet Barbara Mallmann einen ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst, sie begleitet Sterbende und Trauernde. Das Laufen war immer ihr Ausgleich, sagt sie.

„Die meisten Athlet*innen kommen über die Marathondistanz zum Ultralauf“, erklärt Barbara Mallmann. Es braucht also eine gewisse Erfahrung im Langdistanzlauf. Sie empfiehlt hierfür einen 14 – 16 Wochen-Trainingsplan. Um die 100 Kilometer zu schaffen, sollten die Athlet*innen untere Ultradistanzen mitnehmen, offizielle 50 Kilometer-Läufe absolvieren oder im normalen Training diese Strecken laufen. Auch sechs Stunden im „Hunderter“-Renntempo seien eine gute Vorbereitung, weiß Barbara Mallmann. Die Expertin verrät im Interview mit #BeatYesterday.org, wie erfahrene Freizeitläufer*innen ihren ersten Hunderter packen und wie sie den Trainingsplan gestalten können.

Die Expertin: Barbara Mallmann

Barbara Mallmann ist eine gefragte Ultralauf-Expertin. Elf Jahre lief sie für das deutsche Nationalteam und galt als eine der schnellsten Ultraläuferinnen der Welt. Für die Europameisterschaft 2006 verschob sie sogar ihre Hochzeit. Die Hochzeitsreise wurde später mit der Weltmeisterschaft in Seoul verbunden. Aufgrund einer Knieverletzung muss Mallmann momentan pausieren. Ihre Leidenschaft für die Sportart Ultralauf ist trotzdem ungebrochen.

Barbara Mallmann läuft beim IAU 100km World Cup Misari Korea Run ins Ziel
Endlich im Ziel: In Korea durfte sich Barbara über mehr als nur einen erfolgreichen 100-Kilometer-Lauf freuen. © Barbara Mallmann

#BeatYesterday.org: Frau Mallmann, was sind die Grundvoraussetzungen für einen Ultramarathon?

Barbara Mallmann: Auf alle Fälle Zähigkeit und die Lust, sich über lange Zeit anzustrengen. Ein Hundert-Kilometer-Lauf ist ein Arbeitstag plus Pause. Ich muss mir meine Kräfte einteilen, eine gute Grundkondition haben. Es braucht eine absolut gute und disziplinierte Vorbereitung, vor allem auch Willensstärke. Mein Herz-Kreislaufsystem muss gesund und meine Knochen müssen heil sein. Dafür sind Ultraläufer*innen seltener verletzt als Sprinter*innen, weil sie ein gleichmäßiges, kontinuierliches Tempo laufen.

Neben einem Ausdauer-Gen und einer gewissen Stärke der Muskulatur, fordern diese Läufe zu 70 Prozent den Kopf. Der Rest sind körperliche Voraussetzungen. Das heißt aber nicht, dass ich als tolle:r Sportler*in geboren sein muss. Normalerweise können wir uns im Ultralauf alles antrainieren.

#BeatYesterday.org: Wie hoch ist das Mindestalter und bis wann sollten Sportler*innen spätestens mit dem Ultralaufen begonnen haben?

Mallmann: Interessierte müssen über 18 Jahre alt sein, um den „Hunderter“ zu laufen. Von Vorteil ist, dass sie die Strecke auch im Alter noch rennen können. Ich selber bin meine Bestzeit mit 46 Jahren gelaufen, da hatte ich schon zehn Jahre Ultramarathon hinter mir. Es gibt auch viele ältere Ultraläufer*innen, die erst mit 40 angefangen haben. Der Ultralauf ist oft eine Lebenseinstellung.

Ultr-Läuferin läuft auf einer Straße, hinter ihr eine Bergkulisse
Die richtige Technik entscheidet bei Ultradistanzen über das Erreichen des Ziels: Es gilt, Kräfte zu sparen. © Getty Images Plus / E+ / MichaelSvoboda

BeatYesterday.org: Was müssen Läufer*innen beim Training besonders berücksichtigen?

Mallmann: Ich muss meinen Trainingsplan den aktuellen Bedingungen anpassen. Wenn ich einen stressigen Tag hatte, ergibt es keinen Sinn, mir noch einen 30-Kilometer-Lauf aufzubürden. Wenn es im Sommer morgens um acht schon 25 Grad sind, dann muss ich eben schon um sechs mit dem Training starten. Ich muss mit meinem Körper und seinen Kräften haushalten lernen. Ich darf ihm keine überfordernden Trainingseffekte geben, die quälen.

BeatYesterday.org: Was bedeutet das für das Trainingsvolumen?

Mallmann: Ich bin von 2006 bis 2017 international gelaufen. Da kamen im Jahr zwischen 5.000 und 6.000 Kilometer zusammen. Zum Jahreswechsel gab es immer vier Wochen Ruhe. Da habe ich meinen Körper runtergefahren, bin alternativ geschwommen. Auch während der Belastungsblöcke habe ich immer einen Tag in der Woche mit dem Laufen pausiert. Um den Kopf auszuruhen oder wenn ich zu viel Stress bei der Arbeit hatte.

Am Wochenende stand immer der lange Lauf auf dem Programm. Es ging mit 35 Kilometern los. Irgendwann steigerte ich mich auf 50 oder 60. Das Pensum habe ich in meinen 14-Wochen-Trainingsplan für einen 100-Kilometer-Lauf integriert. Den letzten langen Lauf absolvierte ich immer drei Wochen vor einem Wettkampf, damit ich nicht mehr so viele Körner verbrauchte und im Ernstfall genug Reserven hatte. Das waren meistens 60 Kilometer. Zwei Wochen vor dem Rennen lief ich dann im reduziertem Tempo noch mal 35 Kilometer. Grundsätzlich ist die Regeneration kurz vor einem Wettkampf wichtig.

Ich habe immer pulsorientiert trainiert. Wenn mein Ruhepuls zu hoch war, habe ich meine Trainingseinheiten reduziert und entsprechend angepasst. Ansonsten konnte man mich nachts wecken, und ich bin meinen Fünfer-Schnitt (einen Kilometer in fünf Minuten, d.Red.) gelaufen. Ich wusste: Wenn ich einen 135er, 140er-Puls habe, kann ich stundenlang laufen. Sowas muss man normalerweise fühlen lernen. Mit meiner Garmin-Uhr sehe ich sofort alle Werte, was ungemein hilft.

Ultraläufer*innen trainieren aerob

Als aerob werden Stoffwechselvorgänge bezeichnet, bei denen dem Organismus Sauerstoff zugeführt wird, bei aneroben Stoffwechselvorgängen ist dies nicht der Fall. Bei Ausdauersportarten wird viel im Schwellenbereich trainiert, um die höchstmögliche Belastungsintensität zu erzielen. Sie trainiere eher aerob und wenig anaerob, da sie die Zeit im aeroben Bereich lange halten müsse, sagt Mallmann.

Pro-Tipp: Nach jedem Training zeigen Garmin-Smartwatches an, wie der anaerobe und aerobe Effekt einer Einheit war.

BeatYesterday.org: Welche weiteren Vorteile hat die Smartwatch für das Training und den Wettkampf?

Mallmann: Ich habe meinen Pulsbereich immer im Blick. Bei besonders langen Trainingseinheiten hat mir auch das Vernetzen in der Garmin-Connect-App sehr geholfen. Ich habe mich dadurch mit anderen Athlet*innen angefreundet. Ich konnte sehen, wer die meisten Kilometer beim Training lief. Ich hatte den Ehrgeiz, immer vorne mit dabei zu sein. Garmin Connect motiviert sehr, sich gegenseitig zu pushen. Dazu kann ich auch meinen Schlaf-, den Ruhepuls oder den Puls während des Laufens kontrollieren. Die Auswertung der Parameter hilft mir, ein objektives Bild über meinen Trainingszustand zu bekommen.

BeatYesterday.org: Welche Sportarten empfehlen Sie den Ultramarathon-Läufer*innen noch?

Mallmann: Ich muss Kräftigungsübungen machen, um die Muskulatur zu stärken und den Körper zu stabilisieren. Ich schwimme nach wie vor viel, das Wasser wirkt wie eine Art Lymphdrainage. In den Hochzeiten des 100-Kilometer-Trainings hatte ich kaum Zeit für andere Einheiten.

VO2max und die Ultralauf-Eignung

Die VO2max ist ein Gradmesser der Ausdauerleistungsfähigkeit. Der Wert steht für die Sauerstoffaufnahme (in Milliliter), die du pro Minute und pro Kilogramm Körpergewicht bei maximaler Leistung verwerten kannst. Sie bemisst unter der höchsten körperlichen Belastung die größte Ausdauerleistungsfähigkeit. In ihrer besten Wettkampfphase habe sie eine VO2max von 58 gehabt, sagt Mahlmann. Den Wert habe sie auch jetzt noch, weil sie viel schwimme. Sie erklärt: „Ich würde niemals behaupten, dass jemand mit einem niedrigen VO2max-Wert nicht laufen kann. Aber die Person sollte für hoch gesteckte Ziele an ihrer Ausdauer arbeiten. Wenn ich einen VO2max von 35 hätte, würde ich die 100 Kilometer nicht schaffen“.

Frau mit gelber Jacke beim Trailrunning
Beim Training für Ultra Marathons sollten Läufer*innen möglichst viele Meilen schrubben – möglichst auf unterschiedlichen Bodenbelägen. © iStock / Getty Images Plus / lzf

100-Kilometer-Training: Eine professionelle Herangehensweise

Um ein hohes Tempo über eine längere Zeit zu halten, müssen Läufer*innen ihre Bewegungen sehr ökonomisch, also mit einem geringen Energiebedarf ausüben. Daraus lassen sich wichtige Lehren für den Trainingsplan ableiten.

Für Läufer*innen ist es wichtig, möglichst oft das anvisierte 100-Kilometer-Renntempo zu üben. Etwa 60 Prozent der wöchentlichen Trainingskilometer sollten sie mit dieser Pace rennen. Möglichst oft sogar mit einer Vorbelastung oder -ermüdung (sogenannte Doppeldecker-Läufe).

Bei Tempowechselläufen rennen die Athlet*innen die schnellen Abschnitte etwas über dem individuellen 10-Kilometer-Wettkampftempo. Der Tempodauerlauf (Marathon-Renntempo) darf auch etwas länger ausfallen. Mindestens zwei Stunden gelten als optimal.

Die Trainingsumfänge sind bei den Frauen (100 bis 150 Kilometer pro Woche) und bei den Männern (140 bis 200 Kilometer) sehr hoch. Viel mehr ist neben Beruf und Familie nicht ratsam.

Das sind die wichtigsten Trainingsplan-Tipps von Barbara Mallmann:

  1. Ultraläufer*innen müssen möglichst viele Trainingskilometer im geplanten Wettkampftempo rennen, um ihre Bewegungsabläufe nach und nach zu optimieren.
  2. Ein weiteres Trainingsziel ist es, den Fettstoffwechsel zu trainieren. Sie müssen den Körper in die Lage versetzen, trotz hoher Belastung viel Fett zu verstoffwechseln. Nüchternläufe (ohne vorherige Kalorienzufuhr) sind eine gute Alternative.
  3. Der 100-Kilometer-Lauf ist eine sehr anspruchsvolle Disziplin. Um diese zu beherrschen, müssen Läufer*innen „locker” viele schnelle und lange Schritte machen. Das erfordert Koordination und Kraft.
  4. Regeneration ist wichtig. Nach drei harten Trainingswochen (Belastungsblock) sollte es eine einwöchige Erholungspause geben.
  5. In Hochbelastungsphasen sollten Ultraläufer*innen das Athletiktraining zum Wohle der Regeneration stark reduzieren.
  6. Es ist hilfreich, auf verschiedenen Bodenbelägen zu trainieren. Viele sehr gute 100-Kilometer-Läufer*innen sind versierte Trail-Läufer*innen. Ein Ultratrail im Bereich von 40 bis 60 Kilometern ist als Trainingslauf hervorragend geeignet.
  7. Ein zügiger Marathon, ein 50-Kilometer-Lauf oder ein 6-Stunden-Lauf passen fast immer. Ein optimaler Zeitpunkt für solche Trainingswettkämpfe ist das Ende des dreiwöchigen Belastungsblockes unmittelbar vor der Erholungswoche.
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