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Pilger der Meere: Mit dem SUP den Jakobsweg entlang

Statt den Jakobsweg in Nordspanien zu Fuß zu bewältigen, paddelte Abenteurer Timm Kruse die legendäre Route auf dem SUP-Board an der Atlantikküste entlang. Ein Gespräch über Gefahren und Grenzgänge.

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Das Meer schäumt, die Wellen donnern gegen steil aufragende Klippen. Schroffe Felsen tauchen wie U-Boote aus dem Wasser. Die Biskaya – eine ausgedehnte Bucht an der nordspanischen Atlantikküste – ist selbst im Sommer eine unwirtliche Gegend.

Wer sich auf diese kabbelige See wagt, muss eine Menge Mumm in den Knochen haben. Timm Kruse hat sich getraut. Der Abenteurer aus Kiel stemmte sich auf einem schmalen Stand Up Paddle Board gegen Wind und Wellen. Begleitet von seinem Surf-Partner, dem Filmemacher Torsten „Turtle” Schulze, paddelte er 620 Kilometer gen Westen. Immer den Camino del Norte, den nördlichsten Jakobsweg Spaniens, entlang.

Der Jakobsweg, spanisch Camino de Santiago genannt, ist der Pilgerweg zum Grab des Apostels Jakobus in der Kathedrale von Santiago de Compostela in Nordwestspanien. Der Fernwanderweg besteht nicht aus einer Route, sondern einer Reihe von Pilgerwegen in Europa, die alle den gleichen Zielort in der Provinz Galicien haben. Der bekannteste Jakobsweg, der Camino Frances, führt von der spanisch-französischen Grenze über 800 Kilometer quer durch Spanien. Im Jahr 2019 pilgerten fast 350.000 Menschen auf dem Jakobsweg. In Deutschland wurde der Camino ab 2006 vor allem durch den Bestseller „Ich bin dann mal weg” von Entertainer Hape Kerkeling bekannt.

Nach drei Wochen auf See und weiteren sieben Tagen Wanderung an Land erreichten die Abenteurer nach 800 Kilometern das Ziel in Santiago de Compostela. Hinter ihnen lagen Momente voller Glück und Unglück, Erschöpfung und Euphorie. „Wir sind die ersten Pilger, die diese Reise größtenteils paddelnd bestritten haben”, sagt Kruse stolz.

Im Interview mit #BeatYesterday.org-Redakteur Oliver Kramer spricht der Reisejournalist und Buchautor über Grenzerfahrungen auf dem Jakobsweg, tiefe Freundschaft und Selbstfindung.

#BeatYesterday.org: Tausende Menschen wandern jährlich auf dem Jakobsweg. Wie kamst du auf die Idee, die Route größtenteils mit dem SUP zu pilgern?
Timm Kruse: Da ich gerne spirituelle Abenteuer erlebe, wollte ich schon im vergangenen Jahr den Jakobsweg begehen. Wegen einer Fußverletzung, die ich nicht auskuriert hatte, musste ich die Tour allerdings schon am ersten Tag abbrechen. Das war echt frustrierend, hatte aber den Vorteil, dass mir eine Freundin anschließend riet, den Weg mit dem SUP zu bestreiten. Ich dachte mir, warum eigentlich nicht?

#BeatYesterday.org: Bereits 2017 bist du mit dem SUP 2.800 Kilometer auf der Donau gepaddelt. Was war diesmal anders?
Timm: Normalerweise bestreite ich meine Abenteuer allein. Diesmal hat mich mein guter Freund Torsten begleitet. Drei Tage vor Abfahrt sagte er mir, dass er mitkommen will. Das fand ich total cool. ,Turtle’ ist ein mega Surfer und war schon mit Legenden wie Robby Naish auf dem Wasser. Es tat gut, diese Reise gemeinsam zu bestreiten und einen erfahrenen ,Waterman’ an der Seite zu haben.

Timm Kruse paddelt auf seinem SUP den Jakobsweg entlang
Die Biskaya erwies sich für den Abenteurer wegen der unsteten Wellen und Strömungen als gefährliches Gewässer. © Timm Kruse

#BeatYesterday.org: Die Biskaya kann wild und brutal sein. Welche Bedingungen herrschten auf dem Meer?
Timm: Wir starteten unsere Tour in Hendaye, an der französisch-spanischen Grenze. Dort bekamen wir schnell einen Vorgeschmack, was uns auf dieser Reise erwarten wird. Die Biskaya ist kein Paradies für Paddler. Sie gehört mit ihren Untiefen zu den gefährlichsten Segelrevieren des Atlantiks. Da die Küstenlinie stark zerklüftet ist, schlagen die Wellen gegen die Felsen und laufen aus verschiedenen Richtungen zurück. Das macht die See unberechenbar.

#BeatYesterday.org: Hattest du keine Angst, vom Board gespült zu werden?
Timm: Klar. Manchmal paddelte ich eine Stunde auf ein Kap zu und urplötzlich brach eine zwei Meter hohe Welle über mich herein. Das fühlt sich ziemlich unangenehm an. Das war auch der Grund, warum wir einen Großteil der Strecke nicht im Stehen, sondern im Sitzen paddelten. Mit unseren aufblasbaren SUP’s mussten wir zudem höllisch aufpassen, nicht auf den scharfkantigen Felsen Leck zu schlagen. Ein Wunder, dass wir keinen Schiffbruch erlitten haben.

Timm Kruse steht auf seinem SUP vor einer Felsspalte
Die Fahrten durch Tunnel, Höhlen und Felsspalten gehörten zu den spektakulärsten Erlebnissen auf der SUP-Tour im Atlantik. © Timm Kruse

#BeatYesterday.org: Klingt echt abenteuerlich. Welche Gefahren lauerten noch auf der See?
Timm: Um etwas abzukürzen, sind wir einmal in eine Felsspalte gefahren. Das war der Wahnsinn, wie in einem U-Bahnschacht. Der Wind pfiff so laut wie ein Düsenjet. Die Welle hob uns zwei Meter hoch und runter. Ich wurde regelrecht an den Felsen gesaugt und war froh, als ich da wieder raus kam. Noch mulmiger war mir zumute, als wir auf einer Etappe nach sechs Stunden auf kabbeliger See mit den Kräften am Ende waren, aber wegen Ebbe und meterhohen Wellen nicht anlanden konnten. Die Felsen hätten unsere Boards zerstört.

#BeatYesterday.org: Wie habt ihre diese brenzlige Situation bewältigt?
Timm: Wir kämpften noch weitere drei Stunden gegen den Wind, ehe wir den Hafen von Gijón erreichten. Das war eine Grenzerfahrung. Und die Erkenntnis, dass der menschliche Körper viel mehr leisten kann, als man denkt.

#BeatYesterday.org: Klingt nach jeder Menge Action. Gab es auch Momente der Ruhe auf dem Wasser?
Timm: Spielte das Wetter mit und ruhte die See, war ich eins mit der Natur. Delfine schwammen um uns herum, ich angelte Doraden, sogar ein Mittagsschlaf war auf dem Board drin. An guten Tagen schafften wir 30 Kilometer, an schlechten nur fünf. Wenn wir nach sechs Stunden oder mehr zum Ende einer Etappe in die Marina paddelten, war es ein wunderschönes Gefühl.

#BeatYesterday.org: Wie klappte das Wechselspiel aus Meerespilgern und Landgang?
Timm: Die Coronakrise hatte Spanien hart getroffen. Wo früher Tausende auf dem Jakobsweg pilgerten, trafen wir in diesem Sommer kaum Menschen an. Das hatte ich anders erwartet. Was uns blieb, waren die warmherzigen Begegnungen mit den einheimischen Basken und ihrer melancholischen Musik.

#BeatYesterday.org: Das letzte Drittel eurer Reise nach Santiago de Compostela habt ihr zu Fuß bestritten. Eure größte Challenge?
Timm: Absolut. Die Wanderung über die letzten 188 Kilometer hatten wir total unterschätzt. Wir dachten, wir seien gut vorbereitet und in Form. Aber nach drei Wochen auf dem Meer waren unsere Akkus leer. Außerdem plagten wir uns mit diversen Blessuren rum. Durch den ständigen Kontakt mit Salzwasser hatten sich kleine Blasen und Kratzer in tiefe Wunden verwandelt. Knie und Nacken schmerzten. Jeder Schritt tat weh.

Timm Kruse und Torsten Schulze gehen die letzten Kilometer des Jakobswegs zu Fuß
Die letzten 188 Kilometer zu Fuß auf dem Jakobsweg wurden für Timm Kruse und Torsten Schulze (v. l.) zur Tortur. © Timm Kruse

#BeatYesterday.org: Wie habt ihr euch in dieser Zeit motiviert?
Timm: Wir haben gegenseitig auf uns geachtet. Wenn der Rucksack auf den Schultern lastete, wechselten wir uns ab. Wenn das Essen knapp wurde, teilten wir bis zum letzten Bissen. Wir rückten auf dieser Reise als Freunde noch enger zusammen, Torsten wurde zu einem Bruder. Das war eine der schönsten Erfahrungen dieser Pilgerreise, die uns immer verbinden wird.

#BeatYesterday.org: Wie steht es um deine spirituelle Grenzerfahrung auf dem Jakobsweg?
Timm (lacht): Wenn du in der Kirche sitzt und der Schmerz nachlässt, bist du Gott schon mal sehr dankbar. Es ist wichtig, dass ein Mensch diese Grenzerfahrung macht. Wenn dein Körper schmerzt, verschwendest du keinen Gedanken an weltliche Probleme. Auf so einer Reise merkst du, dass es nicht viel zum Leben braucht. Eine Isomatte, ein Schlafsack, ein Zelt, etwas Verpflegung und dein eigener Körper reichen aus, um total glücklich zu sein.

Timm Kruse und Torsten Schulze erreichen das Ziel des Jakobsweges
Nach 30 Tagen und 800 Kilometern auf dem Land- und Wasserweg, erreichten die Pilger Santiago de Compostela. © Timm Kruse

#BeatYesterday.org: Du bist 50 Tage auf der Donau gepaddelt, hast einen indischen Guru auf Weltreise begleitet und warst mit dem SUP auf dem Jakobsweg unterwegs. Welches Abenteuer planst du als nächstes?
Timm: Ich würde gern auf den Spuren von Alexander von Humboldt wandeln und mit dem SUP auf dem Orinoko paddeln. Der Naturforscher befuhr den Fluss durch Venezuela und Kolumbien vor 200 Jahren und erkannte schon damals, wie besonders und schützenswert unsere Natur ist. Das wird sicher wieder ein großartiges Abenteuer.

Timm Kruse – Abenteurer und Guru-Chauffeur

Timm Kruse, Jahrgang 1970, liebt extreme Herausforderungen. Der Journalist und Filmemacher begab sich auf viele außergewöhnliche Reisen. Auf der Suche nach Erleuchtung chauffierte der Reporter 2009 einen indischen Guru um die Welt. In einem Experiment zeigte Kruse auf, wie der dauerhafte Verzicht auf Alkohol das Leben verändern kann. Vor drei Jahren paddelte der Abenteurer mit dem SUP 3.000 Kilometer die Donau entlang. Seine Grenzerfahrungen hielt der Kieler in mehreren Sachbüchern fest. Das Buch zu seinem jüngsten Abenteuer „Pilgern mit Paddel – Auf dem Jakobsweg mit dem SUP” erscheint am 8. Oktober.

Buchcover Pilgern mit Paddel von Timm Kruse
© Timm Kruse
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