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Projekt Marathon-Bestzeit: So funktioniert eine professionelle Vorbereitung

Peter Herzog ist einer der schnellsten Marathon-Läufer Europas. Wie er sich auf Wettkämpfe vorbereitet und welchen Fehler Marathonis am häufigsten machen. Ein Interview.

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Zwei Stunden und zehn Minuten. Diese Zahlen wummern ihm seit Ewigkeiten im Kopf.

Peter Herzog ist Marathonläufer und auf dieser Distanz der schnellste Mann Österreichs. Und das aller Zeiten. Im Oktober 2020 lief er die 42,195 Kilometer in atemberaubenden 2:10:06 Stunden. Landesrekord. Platz 12 in einem mit Weltklasseläufern gespickten Feld.

Doch nach ein paar Tagen gärte auch Enttäuschung in seinem Kopf. Sechs Sekunden, ein paar Wimpernschläge, fehlten dem Salzburger in London zur persönlichen Schallmauer.

Wie unzählige Freizeitläuferinnen und Läufer rennt Profi Peter Herzog nicht nur um eine gute Platzierung, sondern um ein selbst gestecktes Finisher-Ziel. Wie er an seiner Bestzeit arbeitet und welche Fehler ambitionierte Athletinnen und Athleten häufig machen. Ein Interview.

#BeatYesterday.org: Peter, wie lange sollten sich ambitionierte Läuferinnen und Läufer auf einen Marathon vorbereiten?

Peter Herzog: Ich investiere etwa sechs Monate Vorbereitung in ein wichtiges Rennen.

#BeatYesterday.org: Das ist lang.

Peter: Wer sportlich etwas weniger ambitioniert ist, keine Zeit unter dreieineinhalb oder drei Stunden anpeilt, kann es mit weniger Training schaffen. Außerdem ist es eine Frage von Talent und Veranlagung, auch des generellen Fitnesszustands. Aber wer richtig gut ist und ein neues Leistungsniveau erreichen will, muss zwingend über mehrere Monate konsequent arbeiten.

#BeatYesterday.org: Welchen Fehler machen die meisten Freizeitläuferinnen und Freizeitläufer, die auf einem passablen Niveau laufen – oder das zumindest könnten?

Peter: Sie unterscheiden nicht ausreichend zwischen Grundlagen- und Wettkampfpace.

Marathon-Spezialist Peter Herzog beim Lauftraining im Freien
Marathon-Spezialist Peter Herzog sammelt Kilometer im Freien. © privat

#BeatYesterday.org: Wo liegt der Unterschied?

Peter: Die Grundlagenpace beschreibt ein Tempo, das Laufende als „locker” empfinden. Sie befinden sich im aeroben Bereich. Der Körper kann seine Energie noch aus dem eingeatmeten Sauerstoff gewinnen. Wer mit Wettkampfpace läuft, bewegt sich an der sogenannten aeroben Schwelle, also in der Nähe des Leistungsmaximums. In diesem Pulsbereich leisten die Muskeln am meisten, ohne dass sie übersäuern. Meine Grundlagenpace pendelt sich zwischen 3:55 oder 4:10 Minuten pro Kilometer ein. Die Wettkampfpace bei circa 3:05 Minuten. Zwischen dem lockeren und dem maximalen Tempo für die Marathondistanz liegen etwa 60 Sekunden. Das ist ein Richtwert, an dem sich alle Laufenden orientieren können. Das Problem ist: Bei den meisten ist der Unterschied zwischen den Paces weit geringer. Bei manchen gar nicht existent. Wer so läuft, lässt das Grundlagentraining schleifen. Das ist fatal.

#BeatYesterday.org: Warum?

Peter: Das gesamte Grundlagentraining ist essenziell für Bestzeiten. Von sechs Monaten Vorbereitung sollten vier dieses Thema priorisieren. Grundlage klingt harmlos – doch der Begriff beschreibt beinharte Arbeit.

Der Körper lernt in dieser Phase, wie er während der Belastung effizient mit dem eingeatmeten Sauerstoff umgeht. Das Grundlagentraining beeinflusst genauso den Fettstoffwechsel. Wer diese Leistungsbasis durchdacht aufbaut, läuft langfristig energieeffizienter. Das erhöht logischerweise das Leistungspotenzial. Nur wer lange den anaeroben Bereich vermeidet, rennt über die gesamte Distanz konstant in einem hohen Tempo. Mit dem Grundlagentraining können wir Laufende die anaerobe Schwelle nach oben verschieben. Deshalb sind Sportuhren von Garmin beim Training extrem hilfreich. Sie zeigen nach jeder Einheit an, wie viele Minuten man aerob, anaerob und an der Schwelle gelaufen ist.

#BeatYesterday.org: Wie beeinflusst das Grundlagentraining die spätere Tempoarbeit?

Peter: Es stellt die Basis für das letzte Drittel des Vorbereitungsphase. Wer sorgsam die Grundlagen gestärkt hat, kann das nachfolgende Tempo-Trimmen überhaupt körperlich verkraften. Deshalb ist der Pace-Fehler vieler Freizeitsportlerinnen und Freizeitsportler extrem kostspielig. Dadurch, dass sie kaum zwischen Grundlagen- und Wettkampfpace unterscheiden und immer am Limit laufen, stagniert die Leistungsentwicklung.

#BeatYesterday.org: Du sprachst trotzdem von beinharter Arbeit. Beschreibe einen Trainingstag während der Grundlagenarbeit.

Peter: Wir Profis treiben richtiges Schindluder. Vormittags beginnt es mit einem kurzen Warm-up, etwa fünf Kilometer. Anschließend laufe ich beispielsweise 28 Kilometer in der Grundlagenpace. Ein paar Stunden Pause. Danach folgt eine marathonspezifische Einheit. Fünfmal 3.000 Meter in Wettkampfpace. Und danach noch mal zehn Tempoläufe über jeweils 500 Meter. Wichtig ist die Kombination aus langen niederschwelligen Einheiten und den Trainingsreizen mit hohem Tempo. Nur dann bilden sich die Grundlagen. Was mir hilft: Eine Gassi-Runde mit dem Hund vor dem Warm-up. Der Spaziergang lockert die Beine.

Mann geht mit seinem Hund im Wald spazieren
Ein Spaziergang mit dem Hund lockert die Beine vor dem Training. © iStock / Getty Images Plus / Chalabala

#BeatYesterday.org: Wie steigerst du diese Belastung in den zwei Monaten der „Pace-Phase”?

Peter: In dem ich Meile um Meile in meiner angestrebten Wettkampfpace laufe. Teilweise sind es zwischen 180 und 240 Kilometer pro Woche. Das ist richtiges Ballern, eine andere Form der Qual. Aber die Leistungssprünge sind enorm. Man wird merklich schneller. Zudem lernt der Körper das Durchhalten der Pace. Er bekommt die Wettkampfhärte. Und die entscheidet beim Marathon über den persönlichen Erfolg.

#BeatYesterday.org: Was würde in dieser Phase passieren, wenn du beim Grundlagentraining geschlampt hast?

Peter: Mein Körper könnte die für die Temposteigerung nötige Intensität nicht ansatzweise stemmen. Wenn er nicht durch lange Läufe und knackige Intervalle auf die Strapazen der ausdauernden Tempoläufe vorbereitet wird, kollabiert er. Muskuläre Verletzungen sind die beinahe sichere Folge.

#BeatYesterday.org: Manche Sportlerinnen und Sportler haben eine gewisse Scheu gegenüber Trainingsplänen. Sie wirken komplex, zeitaufwendig, abstrakt. Sie fragen sich: „Bringen sie mir wirklich etwas?”

Peter: Vor meinem ersten Marathon habe ich nicht explizit auf das Event hin trainiert. Es war ein Jux-Ding, Hauptsache Spaß. Damals habe ich als fitter und trainierter Mitteldistanzläufer 03:24 Stunden für die Distanz benötigt. Bei meinem zweiten Anlauf war ich nach 02:39 Stunden im Ziel. 45 Minuten schneller! Das lag hauptsächlich an der professionellen Vorbereitung. Wer bislang aus dem Bauch Marathons lief, wird staunen, wie groß der Leistungsschub ist, wenn man einen Plan verfolgt.

#BeatYesterday.org: Trainingsplan – ist das aus deiner Sicht etwas Generisches? Etwas, das zu 80% für alle Menschen, Ziele, Events gleich ist und sich allein in Nuancen unterscheidet?

Peter: Eine gewisse Struktur tut uns im ganzen Leben gut. Egal ob im Sport, bei der Arbeit oder bei sonstigen Dingen. Selbst Urlaube sind meistens super durchgeplant. Wenn Abläufe geregelt sind, schaffe ich zum Beispiel deutlich mehr! Sporttreibende sollten ihre Trainingspläne jedoch an das persönliche Leistungsvermögen anpassen.

#BeatYesterday: Ein halbes Jahr Training für einen Tag. Wie erreicht man punktgenau den eigenen Leistungszenit?

Peter: Das Timing ist extrem wichtig. Ist man zu schnell auf seinem Wettkampflevel, droht das Übertraining. Betroffene werden mit jedem Tag müder. Der Prozess lässt sich kaum wieder umkehren. Der Körper benötigt vor dem Startschuss zwingend Erholung von der Schinderei. Etwa zwei Wochen vor dem Tag X sollte das Pace-Training beendet sein. Ausreichend Schlaf ist wichtig, genauso eine gute, kohlenhydratreiche Ernährung. Die Marathon-Teilnehmenden müssen ihre Glykogenspeicher füllen. Aus diesem Reservoir beziehen sie während der ersten eineinhalb Stunden des Rennens die Energie. Ich persönliche laufe in den 14 Tagen vor dem Wettkampf kleinere Routinen. Nichts akut Belastendes. Das sind wohldosierte Reize.

#BeatYesterday.org: Im Sport entscheiden oft Strategien über gute Ergebnisse. Gibt es auch beim Marathonlauf eine optimale Taktik?

Peter: Das hängt vom Ziel ab. Wer ankommen möchte und eine relativ langsame Bestzeit verbessern will, kann taktisch laufen. Zu Beginn eher ruhig beginnen und im Rennverlauf das Tempo anziehen. Wer an einer persönlichen Schallmauer ‚kratzt‘, läuft optimalerweise in der definierten Wettkampfpace los. Ich habe damit bisher die besten Erfahrungen gemacht. Man sollte nie darauf setzen, dass sich am Ende die Sekunden wieder rausholen lassen.

#BeatYesterday.org: Hast du zum Abschluss noch einen Profitipp für die Marathon-Bestzeit?

Peter: Ort und Zeit für den Lauf clever wählen. Die besten Zeitfenster für Bestzeiten öffnen sich zwischen März und Mitte Mai, dazu ab September bis November. Bei heißen Temperaturen sind selten Bestzeiten drin. Die Hitze laugt den Körper aus, sie kostet bare Sekunden. Außerdem gibt es Streckenprofile, die sich zum Schnelllaufen besser eignen. Berlin, London und Wien bieten ein gutes Pflaster für Rekorde. Valencia ist ein Insidertipp. Eine superschöne, flache Strecke mit stabilem Wetter. Auch weht eine angenehme Brise vom Meer.

Optimiere dein Training und hole das Beste aus dir heraus.

Ob Ironman, Marathon, 10 Kilometer joggen oder einfach ballern – die Uhren der Forerunner-Serie unterstützen dich dabei, deine Ziele zu erreichen. Kontrolliere dein Tempo mit der Pace. Optimiere dein Training gezielt und behalte deine Fitness immer im Blick.

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