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Pacemaker: Gemeinsam gegen die Uhr

Pacemaker sind immer einen Schritt voraus. Beim Marathon dienen sie dem Läuferfeld als Orientierung auf dem Weg zur Zielzeit. Detlef Blässe gewährt Einblicke in die Arbeit eines Pacers.

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Detlef Blässe läuft und läuft und läuft. 19 Marathons allein im vergangenen Jahr. Dabei geht es ihm nicht um seine eigene Fabelzeit. Als Pacer hilft er Anderen, ihre Ziele zu erreichen. Statt hoher Pace für den persönlichen Rekord „zieht“ er eine Gruppe Läufer über die quälend langen 42,195 Kilometer. Detlef motiviert, unterhält, bremst. Freiwillig. Mit uns spricht er über das Training eines Pacers und warum er trotz etlicher Läufe immer noch eine Gänsehaut im Ziel bekommt.

#BeatYesterday.org: Einigen ist der Begriff Pacemaker sicher unbekannt. Was genau machst du eigentlich?

Detlef Blässe: Ein Pacemaker wird auch als ZuB bezeichnet, was die Funktion eines Pacers besser beschreibt: Er ist Zug- und Bremsläufer. Die Pacemaker werden von den Veranstaltern eines Marathons gebucht. Sie helfen den Läufern im Feld, ihre Zielzeit zu erreichen. Zu Beginn eines Marathons neigen unerfahrene Läufer zum Überpacen, sie laufen viel zu schnell. Das sorgt dafür, dass ihnen im letzten Viertel die Luft ausgeht. Pacemaker „bremsen“ am Anfang etwas. Dadurch können die Läufer ein kontinuierliches Tempo halten, im Optimalfall bis ins Ziel. Der Pacer dient über die gesamte Strecke als Orientierung und Motivation. Gerade wenn auf den letzten Kilometern die Beine immer schwerer werden, zieht er seine Gruppe mit ins Ziel.

#BeatYesterday.org: Als Pacer lotst du also andere Läufer über die Strecke. Wie kam dein erster Pacerjob zustande?

Detlef: Ich habe 2017 beim 1. Koblenzer Marathon auf der Halbmarathon-Distanz gepaced. Wie ich selbst rutschen die meisten in den Job rein. Sie laufen einfach einen Marathon oder Halbmarathon als Pacermaker. Ich glaube nicht, dass viele vorher planen, häufiger als Pacer zu laufen. Wir verdienen damit kein Geld. Wir sind Hobbysportler, die Spaß an der Sache haben und diesen gern teilen. Hinter der Ziellinie bedanken sich die Läufer oft herzlichst für meinen Job. Schon damals in Koblenz war mir klar, dass ich das definitiv öfter machen will. Ich habe eine Leidenschaft fürs Laufen. Es ist eine Herzensangelegenheit, andere dabei zu unterstützen.

Biografische Daten
Detlef Blässe fand spät zum Laufen. Bis 2014 legte er die meisten Wege mit dem Auto zurück, fuhr selbst die kürzesten Wege. Er war ein richtiger Sportmuffel. Heute ist der 57-Jährige dem Laufen komplett verfallen, trainiert fünfmal die Woche, läuft Marathons und verhilft als Pacer anderen Teilnehmern zu ihrer Wunschzeit.

Detlef Blässe vom Pacemaker-Team beim Laufen eines Marathons
Detlef Blässe war früher kein Lauffan. Mittlerweile läuft er mehr als 15 Marathons im Jahr. © Pacerteam.de

#BeatYesterday.org: Die Läufer bedanken sich bei dir als Pacer nach dem Lauf. Welche Unterstützung bekommst du von den Veranstaltern?

Detlef: Das kommt ganz auf die Veranstalter an. Eine Startgebühr müssen wir Pacer nicht bezahlen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Wir werden vom Veranstalter gebucht und laufen den Marathon für die Teilnehmer und ihre Wunschzeiten. Bei manchen Läufen kriegen wir ein Finisher-Shirt gratis. Beim Berlin-Marathon gibt es eine Laufhose. Das sind nette Aufmerksamkeiten, die wir auch brauchen. Bei mehr als 15 Marathons pro Jahr verschleißen wir Pacemaker einige Hosen. Aber die Goodies, die wir bekommen, können ganz unterschiedlich ausfallen. Manchmal ist es ein Gutschein für die Pasta Party am Tag vor dem Wettkampf.

Die Pasta Party ist ein gemeinsames Essen von Teilnehmern am Tag vor dem Marathon. Für die nötige Power gibt es Nudeln satt. Die Mahlzeit füllt den Glykogenspeicher auf und dient zur Einstimmung auf den anstrengenden Wettkampf am nächsten Tag.

#BeatYesterday.org: Das sind sicher kleine Aufmerksamkeiten, aber was sind die großen Anreize für dich?

Detlef: Vor allem ist es der Dank der Läufer hinter der Ziellinie. Da kriege ich jedes Mal aufs Neue eine Gänsehaut. Durch die Erschöpfung sind die Reaktionen der Läufer besonders ehrlich. Ein spezieller Moment. Egal, ob beim ersten oder zwanzigsten Mal. Außerdem liebe ich es, lange Distanzen zu laufen. Als Pacemaker bist du für deine Gruppe verantwortlich. Du willst es mit jedem aus der Gruppe über die Ziellinie schaffen. Egal, wie erschöpft manche sind. Auf der Strecke bin ich Entertainer und Motivator. Wenn dir danach teilweise junge Mädchen dankend um den Hals fallen oder ältere Wiedereinsteiger mit dir noch ein Selfie machen wollen, dann weißt du: Ich habe alles richtig gemacht.

#BeatYesterday.org: Ganz schön hart: 40 Kilometer laufen und gleichzeitig Unterhalter für erschöpfte Teilnehmer sein. Wie kann ich mir das während des Laufs vorstellen?

Detlef: Das kommt ganz auf die Gruppe an. Im Vorgespräch und auf den ersten Kilometern entwickle ich ein Gespür für die Menschen. Als Pacer ist es meine Aufgabe, sie während des Laufs von der Anstrengung und vom dem Gedanken, die Strecke nicht schaffen zu können, abzulenken. Bei einem Lauf begleitete ich eine junge Frau, die ihren ersten Marathon lief. Sie war komplett überdreht und aufgeregt. Der Mund stand die ersten zehn Kilometer nicht einmal still. Sie erzählte, wie sehr sie sich freut, was ihr Ziel ist, wie sie trainiert hat und wie toll sie alles findet. Ab Kilometer 20 wurde sie immer ruhiger, die Atmung schwerer und das Tempo sank.

#BeatYesterday.org: Wie habt ihr es geschafft, trotzdem in der gewünschten Zeit im Ziel zu sein?

Detlef: Ich habe ihr Fragen gestellt. Über all das, was sie mir auf den ersten zehn Kilometern erzählt hat. Sie konnte sie zwar kaum beantworten, aber das hat sie davon abgelenkt, dass noch über 15 Kilometer zu laufen waren. Jeder Läufer hat diesen Punkt, ab dem das Aufgeben keine Option mehr ist. Das sage ich ihnen deutlich. Wer sich über 30 Kilometer gequält hat, schafft auch die letzten zehn – selbst wenn das die härtesten sind.

#BeatYesterday.org: Welche Art von Läufern machen deinen Job als Pacer besonders kompliziert?

Detlef: Novizen brauchen die meiste Aufmerksamkeit. Sie sind motiviert und aufgeregt und wissen nicht so recht, worauf sie sich eingelassen haben. Für sie trifft unsere Beschreibung als Zug- und Bremsläufer vollends zu. Beim Startschuss lassen sich die Einsteiger leicht von der Masse mitziehen und laufen deutlich über ihrem Tempo. Außerdem können sie sich nur selten richtig einschätzen. Wenn sie einen zwölfwöchigen Trainingsplan verfolgen, nimmt die Trainingsintensität kurz vor dem Wettkampf immer mehr ab. An der Startlinie sind die Beine besonders leicht. Auch deshalb neigen viele zum Überpacen. Wer einmal überpaced und später zurückfällt, holt diesen Rückstand nicht mehr auf. Deshalb muss ich zu Beginn bremsen, sonst ist nach vier Kilometern die Power weg.

Gruppenfoto vom Pacemaker-Team mit Fahnen
Die Fahnen werden auch während des Laufs getragen. Sie dienen dem Feld als Orientierung. © Pacerteam.de

#BeatYesterday.org: Wie trainierst du eigentlich als Pacer?

Detlef: Das unterscheidet sich je nach Professionalität. Der Pacer, der Marathon-Weltrekordler Eliud Kipchoge zieht, bereitet sich auf diese Spitzenleistung dementsprechend vor, er muss sich eine hohe Pace antrainieren. Um in unserem Breitensportbereich als Pacemaker die Leistung zu erbringen, bedarf es viel Lauferfahrung. Du musst dich und deine Gruppe richtig einschätzen können. Du kannst keine Zeit anpreisen, die du nicht erreichst. Unsere Ziele sind keine persönlichen Bestzeiten. Dafür würden wir einen zwölfwöchigen Trainingsplan absolvieren und nur zwei Läufe im Jahr bestreiten. In der Regel laufen wir aber durchgehend über das gesamte Jahr. Im vergangenen Jahr war ich bei 16 Marathons als Pacemaker im Einsatz. Ich habe meinen Körper mittlerweile an lange Distanzen im überschaubaren Tempo gewöhnt, sodass jeder Marathon quasi ein „Trainingsmarathon“ für den nächsten ist. Das klassische Lauftraining ist natürlich die Grundlage für alles.

#BeatYesterday.org: Die Pacer für Spitzenathleten steigen kurz vor dem Ziel aus und beenden das Rennen nicht. Warum tun sie das und wie läuft das im Hobby-Bereich?

Detlef: Die Pacer der Profis sind nach 30 Kilometern platt. Und genau darauf ist ihr Training ausgerichtet. Die gesamte Distanz zu laufen, kommt da gar nicht infrage. Dafür können sie die ersten 30 Kilometer aber ein absurd hohes Tempo vorgeben. Wir Hobby-Pacer laufen die 42,195 Kilometer durch und begleiten unsere Gruppe mit über die Ziellinie. Es zählt für jeden seine eigene Zeit. Darauf ist unser Training ausgelegt. Wir wollen die Läufer bis zum Schluss bei ihren Zielen unterstützen.

#BeatYesterday.org: Trainierst du dafür auf eine hohe oder auf eine gleichmäßige Pace?

Detlef: Die hohe Pace ist Bestandteil des Trainingsplans für schnelle Läufe. Um beim Marathon durchgehend eine gleichmäßige Pace zu laufen, braucht es Erfahrung und Disziplin. Du musst deinen Körper kennen und wissen, was du leisten kannst. Ausdauer und Kondition sind enorm wichtig. Nur damit schaffst du ein gleichbleibendes Tempo. Deshalb ist das Training auch so aufgebaut. Gleichbleibende Pace über die volle Distanz.

#BeatYesterday.org: Das ist eine gewaltige Aufgabe. Du bist mitunter für Gruppen von mehr als zehn Läufern verantwortlich. Welchen Leistungsdruck verspürst du als Pacer?

Detlef: Du willst dein Ziel in der vorgegebenen Zeit erreichen. Wenn sich jemand an deine Fersen heftet, um die Distanz in vier Stunden zu schaffen, möchte er insgeheim keine Vier vorne stehen haben. Da hofft jeder auf eine 3:59 auf der Uhr. Das wollen wir ermöglichen. Verschiedenste Charaktere über eine lange Distanz zusammenhalten und am Ende jeden Einzelnen glücklich machen – dafür buchen uns die Veranstalter.

#BeatYesterday.org: Wie läuft solch ein Tag des Marathons für dich als Pacer ab?

Detlef: Ich stehe zeitig auf und frühstücke gesund. Kohlenhydrate sind wichtig. Körperlich gehe ich als Pacer nicht an meine Grenzen, aber ich muss über die gesamte Distanz konzentriert sein. Bevor die Athleten eintreffen, gibt es ein Briefing und ich hole mein Equipment ab. Nach einem gemeinsamen Foto geht es für mich in die Startaufstellung, damit meine Gruppe sich an mir orientieren kann. Beim Startschuss zählt nur noch die Zeit. Die Läuferinnen und Läufer sind angespannt und nervös. Während des Rennens motiviere ich meine Mitläufer, gehe aber auch auf einzelne Teilnehmer zu. Ich will es mit allen ins Ziel schaffen. Nach dem gemeinsamen Zieleinlauf herrscht dann große Erleichterung. Alle sind glücklich und erschöpft. Das ergibt eine ganz besondere Mischung. Auch für uns Pacemaker.

#BeatYesterday.org: Ich finde das beeindruckend. Bei welchen Wettbewerben und in welchen Ländern warst du bereits als Pacer aktiv?

Detlef: Alle aufzuführen, wäre zu viel. Das waren bisher 27 Marathons und etliche Halbmarathons. Aber erwähnen kann ich sicherlich die Marathons in Köln, Berlin, Frankfurt, Luxemburg und Malta. Für dieses Jahr geplant waren neben einigen kleineren inländischen Laufevents auch Rennen in Berlin, London, München und Venedig.

#BeatYesterday.org: In diesem Jahr werden es coronabedingt weit weniger Rennen sein, an denen du teilnimmst. 

Detlef: Ja, die Situation ist schwierig. Ich hoffe, dass es in diesem Jahr zumindest noch kleine Veranstaltungen geben wird.

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